Andreas Kresbach für einen neuen Generationenvertrag (Die Furche)

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Für einen neuen Generationenvertrag, der mit einer nachhaltig wirksamen Pensionsreform die Handlungsspielräume künftiger Generationen zum Maßstab heutiger Entscheidungen macht.

Zurückgehende Geburtenzahlen, ein zu hoher Anteil von Frühpensionen, unsicher werdende Beschäftigungsverhältnisse und über allem eine unlösbar scheinende Staatsverschuldung: Haben die heute Jungen im Vergleich zur älteren Generation nichts mehr zu erwarten, schon gar keine Pension? Dass die höhere Lebenserwartung und die zu wenigen Geburten zu einem Anstieg der Pensionsbezieher und gleichzeitigen Rückgang der Zahl der Erwerbstätigen führen, ist keine neue Erkenntnis. Dass der demographische Wandel aber alle Bereiche der Gesellschaft und damit den Wohlstand von allen betrifft, scheint noch nicht so bewusst zu sein. War beim Öko-Thema die Sorge um die Zukunft noch irgendwie schick, fehlt nämlich für den Bereich Pensionen/Familie das öffentliche Interesse ganz offenkundig. „Alarmismus“ seien solche Hinweise auf notwendige Weichenstellungen im Pensionssystem, so nennen es für gewöhnlich die Besitzstandwahrer des herrschenden politischen Systems aus Angst um die Wählerstimmen der Pensionisten.

Nachhaltigkeitsfaktor, …

Dabei geht es schlicht darum, wirtschaftliche Lasten wie die Staatsschulden, die Pensionskosten, die Abgabenquote oder Kinderkosten im Sinn der Generationengerechtigkeit auf die jungen und älteren Menschen gleichermaßen zu verteilen. Denn auf die heute Jungen kommt einiges zu: Wer sonst finanziert in Zukunft die Pensionen, die Pflege, die Gesundheitsversorgung der älteren Generation? Dabei ist gar nicht die Alterung der Gesellschaft der entscheidende Faktor bei den Auswirkungen des demographischen Wandels, sondern vor allem das Verhältnis der erwerbstätigen und die Sozialsysteme finanzierenden Bevölkerung zu den Beziehern von Pensionen. So wird sich der Anteil der älteren Menschen im Verhältnis zu erwerbsfähigen Personen von derzeit 26 Prozent bis 2060 auf 48 Prozent erhöhen und die Pensionsquote im Verhältnis zu Pflichtversicherten von heute 63 Prozent auf 95 Prozent ansteigen.

In Deutschland, in Schweden und einigen anderen EU-Ländern wurde deshalb schon vor Jahren der sog. Nachhaltigkeitsfaktor eingeführt, mit dem sich die Pensionsanpassung nach dem Verhältnis von Rentenbeziehern und Beitragszahlern bemisst. Damit werden Pensionserhöhungen auch von einer entsprechend günstigen Entwicklung des Arbeitsmarktes abhängig. Die deutsche Regierung macht auch einen jährlichen Demographiegipfel, gibt einen Demographiebericht heraus und hat schon eine eigene Demographiestrategie entwickelt. Auch konkrete Schritte wurden schon gesetzt, indem etwa das gesetzliche Rentenalter in Anpassung an die steigende Lebenserwartung schrittweise bis 2029 von 65 auf 67 Jahre hinaufgesetzt wird.

 … leider nicht in Österreich

In Österreich muss man dagegen schon über das allmähliche Auslaufen der als soziale Errungenschaft gefeierten „Hacklerpension“ froh sein, während in der Regel nur die Prozentpunkte der jährlichen Pensionsanpassung debattiert werden. Dabei ist bei uns das durchschnittliche Pensionsantrittsalter mit etwas über 58 Jahren im internationalen Vergleich auffällig niedrig und wird die Invaliditätspension allzu exzessiv genutzt, weshalb u. a. die Pensionsausgaben überdimensioniert sind und der Bundeszuschuss zu allen Pensionssystemen aus dem Steuertopf bereits über 13 Milliarden Euro jährlich beträgt.

Im Pensionssystem in seiner übermächtigen Dimension sollten jedenfalls die Orientierung sowohl an den geleisteten Beiträgen als auch an der steigenden Lebenserwartung stärker berücksichtigt sowie alle Anreize zur Frühpension abgeschafft werden, und im Endeffekt müsste eine spürbare Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters herauskommen. Damit wäre auch Fairness zwischen den Berufsgruppen herstellbar. Noch transparenter freilich wäre es, das gesetzliche Rentenalter überhaupt abzuschaffen und stattdessen die freie Wahl des Pensionsantritts mit entsprechenden Zu- und Abschlägen einzuführen. Damit könnte ein System mit einer beitragsorientierten Pension und wirksamen Anreizen für betriebliche und private Vorsorge auf lange Sicht finanzierbar werden.

Insgesamt werden derzeit jedenfalls für Pensionsleistungen rund 38 Milliarden Euro ausgegeben (mehr als zwölf Prozent des BIP), während es für Familien inklusive Kindergärten knapp zehn Milliarden sind. Dabei ist durch Ländervergleiche belegt, dass es der Generationenkoeffizient ist, also das Verhältnis der Ausgaben für Familien, Jugend und Bildung gegenüber jenen für Pensionen, der sich auch auf die Realisierung der Kinderwünsche auswirkt. Deshalb sollte eine zukunftsorientierte Politik vor allem auch eine nachhaltige Erhöhung der Geburtenrate im Auge haben, da diese sowohl die Altersstruktur als auch die Bevölkerungsentwicklung positiv beeinflussen würde.

Einen wichtigen Anstoß zur Generationengerechtigkeit hat etwa das deutsche Bundesverfassungsgericht schon im Jahr 2001 mit einer Entscheidung zur Pflegeversicherung gegeben, als es feststellte, dass die Doppelbelastung von Eltern mit dem Aufziehen von Kindern und ihrer gleichzeitigen Beitragsleistung bei der Rentenversicherung zu berücksichtigen wäre. Der daraus folgende Schluss, die Anrechnung der Kindererziehungszeiten für die Pension aufzuwerten, wurde zwar auch in Österreich mit ihrer teilweisen Geltung als Beitragszeiten gemacht, dies aber in einem immer noch viel zu geringem Ausmaß, das auch erst im Ruhestand spürbar wird und erst wieder die nächste Generation, das heißt die Kinder der heutigen Eltern belastet. Zuschüsse zu den Pensionsbeiträgen als Lastenausgleich gegenüber den Kinderlosen würden sich dagegen schon unmittelbar auswirken. Vor allem aber sollten die Familien, die mit ihren Kindern und außerdem als Steuer- und Beitragszahler mehrfach zur Finanzierung des Staates beitragen, steuerlich angemessen entlastet werden.

In jedem Fall ist klar, dass der demographische Wandel nur dann zu bewältigen ist, wenn die ältere Generation länger im Erwerbsleben bleibt und das Potenzial an Beschäftigung und damit an Beiträgen gesteigert werden kann. Schließlich fehlen schon heute in vielen Bereichen die Fachkräfte, weshalb für ältere Beschäftigte viel mehr in Gesundheitsmaßnahmen, Weiterbildung und altersgerechte Arbeitsplätze zu investieren wäre, anstatt zu hohen Kosten für die Allgemeinheit die Frühpension zu subventionieren. Generell gilt: Die längere Lebenszeit ist für alle Seiten zu nutzen, denn ältere Beschäftigte haben fachliches Know how und wollen in vielen Fällen ja weiterarbeiten.

Längere Erwerbsperspektive

Gleichzeitig könnte für die jüngere Generation die intensive Stressphase, wenn Ausbildung, Karriereaufbau, Partnersuche und Familiengründung zeitlich zusammenfallen, durch abgesicherte Auszeiten, Weiterbildung und eine längere Erwerbsperspektive etwas entspannt werden. Dies gilt vor allem für Eltern bzw. Mütter, deren Wiedereinstieg ins Arbeitsleben nach der Elternkarenz zu erleichtern ist. Auch das Schulsystem und die Lehre müssten insofern zukunftstauglich gestaltet werden, dass mehr Junge früher eine Beschäftigung finden. Und schließlich sollten auch Migranten mit den gewünschten Qualifikationen gezielt angesprochen oder ausgebildet werden. Die dafür notwendige Generationenpolitik ist jedenfalls eine Querschnittsmaterie, die nicht „Jung gegen Alt“ thematisiert, sondern einen neuen Generationenvertrag zum Ergebnis haben muss, der in Fähigkeiten und Chancen von Jungen wie Älteren investiert und damit die Handlungsspielräume künftiger Generationen zum Maßstab heutiger Entscheidungen macht.

(Die Furche, 29.8.2013)

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