Andreas Kresbach über Alternativen jenseits der ausgetretenen Parteipfade (Kleine Zeitung)

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Neue Themenparteien könnten an die Stelle der alten Lager-Parteien treten

Es ist nicht fünf vor zwölf, es ist schon weit nach eins, deshalb schlafen die Regierungsparteien auch schon fest. Nun wurden sie bei der Bundespräsidenten-wahl unsanft geweckt und auf den Boden der Wirklichkeit geholt. Dabei zeigt dieses Wahldebakel mit seinem symbolischen Protest-Charakter vor allem: es ist mehr als der übliche Denkzettel, es ist eine Abkehr von der Großen Koalition und ihrer offenkundigen Unfähigkeit, die großen Probleme zu lösen. Die aufgeladene Stimmung im Land muß sich jetzt aber auch bei den Verursachern selbst entladen und die längst fällige Neuaufstellung von SPÖ und ÖVP zur Folge haben, soll das beständige Ausrinnen zur FPÖ hin gestoppt werden. Und zwar in personeller und inhaltlicher Hinsicht. Die jetzt angekündigte Neuausrichtung des Regierungsprogramms klingt originell – was hat man dann in den letzten zwei Jahren gemacht?

Vielleicht liegt es gar nicht nur am Programm. Vielmehr ist mit den Partei-Funktionären nach bisherigem Muster kein Staat mehr zu machen, weshalb es nur glaubwürdig wäre, in den Regierungsparteien das gesamte Führungspersonal inklusive Abgeordneten weitgehend auszuwechseln.

Während die SPÖ in der Präsidenten-Stichwahl wenigstens den Grün-Roten van der Bellen als Trostpflaster hat, zu dem schon die halbe Wiener SP-Wählerschaft abgewandert ist, gibt es für bürgerliche Wähler nun kaum eine Option. Eine taktische Meisterleistung. Der ÖVP ist von bürgerlicher Seite vorzuwerfen, mit einer rückwärts gewandten Bestemmhaltung einen eigenen Kandidaten aufgestellt anstatt sich hinter die unabhängige Kandidatin Griss gestellt zu haben und damit Staatsinteressen vor Parteiinteressen Priorität einzuräumen. Dass eine Unabhängige ohne politische Erfahrung, ohne Parteiapparat und ohne Parteiförderung aus dem Stand fast 20 Prozent Zustimmung erhält, also fast so viel wie die ÖVP derzeit bei NR-Wahlen zu erwarten hätte, sagt eigentlich alles. Es zeigt eindrucksvoll, in welche Richtung die Zukunft von bürgerlicher Politik gehen sollte. Wenn das Feld (des Regierens) nicht weitgehend der FPÖ überlassen werden soll, und das können Bürgerliche angesichts deren einseitiger Kleine-Mann-Politik ja doch nicht wirklich wollen, muß die Gestaltung bürgerlicher Politik, die von der VP eben nicht mehr erfolgreich vertreten wird, in neuer Form stattfinden.

Eine Plattform von Gruppen bürgerlicher Politik

Anstatt der bisherigen Bünde- und Länderstruktur der ÖVP könnte sich vielmehr eine Plattform von Gruppen bürgerlicher Politik bilden, die zwar selbständig agieren, aber sich zu Wahlallianzen zusammenfinden sollten, um die unterschiedlichen Interessen gemeinsam durchzusetzen

Denkbar wäre etwa eine Wirtschaftsgruppe (Themen: Standortpolitik, KMU-Politik, Steuerreform, Agrar,- Umwelt- und Energiepolitik), eine für den sozialen Zusammenhalt (Themen: Generationen, Familie, Frauen, Bildung, Integration, Pflege) und ein Forum für Europa, Staatsreform, Demokratie, bis zu Fragen der Migration. Damit könnten von den vielen engagierten Bürgerlichen, die in der ÖVP keinen Platz haben bzw. dort auch nicht erwünscht sind, neue Politiken jenseits der ausgetretenen Partei-Pfade entwickelt werden, die jedenfalls zukunftstauglicher als die bisherigen sein könnten.

In diesen Themen-Gruppen sollte eine neue Generation von Bürger-Vertretern ohne die vorauseilende und lähmende Rücksicht auf Landeskaiser, Sozialpartner oder sonstige traditionelle Klientel, die nur ihre eigenen Interessen verfolgen, problemlösungs-orientierte Politik entwerfen, für die dann – wenn möglich als gemeinsame Plattform – mit den anderen Parteien SP, FP, Grüne die entsprechenden Mehrheiten zu suchen sind.

Bunte Landschaft neuer Themenparteien statt alte weltanschauliche Lager-Parteien

Allerdings wird wahrscheinlich auch der bisher diskussionsresistenten und verknöcherten SPÖ, siehe die Flügelkämpfe in der Asyl-Debatte, dieser innerparteiliche Aufteilungsprozeß nicht erspart bleiben. Und auch FPÖ und Grüne werden, wenn nicht mehr in Opposition, diesen Lernprozeß machen. Als Ergebnis könnte jedenfalls eine bunte Landschaft neuer Themenparteien an die Stelle der alten weltanschaulichen Lager-Parteien treten und damit neue Mehrheiten eher eine sachorientierte Politik befördern. Eine solche Parteienlandschaft wäre übrigens gar keine Neuigkeit in Europa, in Skandinavien gibt es mehrere bürgerliche und auch linke Parteien schon längst und auch etwa in Spanien haben sich die beiden großen Volksparteien aufgespalten. Voraussetzung für eine Belebung der politischen Szene sind freilich immer glaubwürdige Persönlichkeiten.

Eine etwas gekürzte Version erschien in der Kleine Zeitung, 29.5.2016

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