Andreas Kresbach zur Situation der SPÖ (Kleine Zeitung)

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Bevor die SPÖ arbeitslos wird

Inhaltlich versteinert, personell abgehoben, muss sich die SPÖ der FPÖ anbiedern.

Der Bundeskanzler und SPÖ-Chef hat aufgrund des medial vermittelten schwindenden Vertrauens seiner Partei, nicht zuletzt auch aufgrund des Pfeifkonzerts am symbolträchtigen 1. Mai, die Konsequenzen gezogen. Die SPÖ-Spitze hat spätestens mit der Bundespräsidentenwahl auch erkannt, dass ihr Hauptproblem der Wählerstrom weg in Richtung FPÖ ist. Neben der personellen ist auch eine strategische Neuausrichtung unausweichlich. Das heißt: die an der Wählerbasis längst vollzogene Annäherung an die Freiheitlichen. Statt deren Ausgrenzung soll also die „Burgenlandisierung“ der Kanzlerpartei den Machterhalt sichern, was ja schließlich schon seit Karl Renners Zeiten immer die oberste Maxime der Sozialdemokraten war. Mit einem blauen Präsidenten und einem neuen roten Parteichef könnte also schon in absehbarer Zeit eine „Volksgenossen-Koalition“ bevorstehen. Es wächst zusammen, was zusammengehört, auch wenn dies den wenigen verbliebenen Linken in der SPÖ gar nicht gefällt.

Während die SPÖ in den Bundesländern bis auf zwei Ausnahmen ziemlich abmontiert worden ist, kann sie sich gerade noch auf ihr traditionelles Bollwerk Wien stützen, das aber auch ihr Dilemma offenbart: die Wählerstimmen bringen die Pensionisten und die „Hackler“ aus den bevölkerungsreichen Flächenbezirken, die öffentliche Diskussion und die Parteimeinung bestimmen aber immer noch die Salon-Linken in Rathaus und Parlament, die zwar von „sozialer Gerechtigkeit“ reden, aber die konkreten Lebensprobleme der kleinen Leute weder verstehen noch sich ernsthaft auf diese einlassen wollen.

Die Partei, die seinerzeit angetreten ist, die Menschen zwar grundsätzlich über ihre Arbeit zu definieren, gleichzeitig aber auch dessen „Arbeitsleid“ zu mildern, tut schon seit Jahrzehnten entschieden zu wenig, um arbeitssuchenden Leuten überhaupt wieder eine Arbeit zu verschaffen. Die Verteidigung des Besitzstandes in Gestalt der Gewerkschaft ist allemal wichtiger als sich für die stetig wachsende Gruppe der geringfügig Beschäftigten, freien Dienstnehmer, Leiharbeiter, freie Selbständige, etc. stark zu machen. Auch die Aufwertung der – von vielen Frauen gewünschten – Teilzeitarbeit, von Niedriglohn- oder gar gemeinnützigen Jobs wird ignoriert, da seien die Ideologen vor, denn das wäre ja Verrat am klassischen Vollerwerbs-Fetisch. Und jetzt kommen auch noch die Flüchtlinge und Migranten, die uns doch nur die Arbeitsplätze wegnehmen! Das ist Zuviel der Zumutung an Solidarität, scheinbar auch so ein antiquierter Wert der Arbeiterbewegung.

Anstatt über geringere Lohnnebenkosten („das nützt ja nur der Wirtschaft!“) die Menschen, auch die eigene Klientel, rascher in den Arbeitsprozess zu integrieren bzw. dort zu behalten, hat die Arbeiterpartei jahrzehntelang die Frühpension allzu attraktiv gemacht, durchaus im sozialpartnerschaftlichen Einverständnis mit den Dienstgebern. Weil dafür eh der Staat, sprich die Steuerzahler, mit einer der höchsten Abgabenquoten in Europa aufkommen. Verteilungsgerechtigkeit zwischen den Generationen, Investitionen in Zukunftstechnologien, neue Politiken für die Industrie 4.0, Antworten auf die Digitalisierung? Da sucht man bei der Arbeiterpartei a. D. vergebens, nachdem das Konzept einer „solidarischen Hochleistungsgesellschaft“ allzu schnell wieder entsorgt wurde. Dafür wird peinlich genau darauf geschaut, dass die Pensionen jährlich ordentlich erhöht werden, um zumindest diese Wählergruppe nicht zu verlieren. Mit der fortschreitenden inhaltlichen Versteinerung einher gehen seit einiger Zeit allenfalls weltanschauliche Ablenkungsmanöver wie etwa die Gender-Ideologie, die aber der allein erziehenden Handelsangestellten keine Antwort auf ihre Existenzfragen gibt.

Was Wunder, dass bei diesem Glaubwürdigkeits-Vakuum zunehmend mehr rote Wut-Wähler ihrer Frustration in der Wahlzelle Luft verschaffen. Ein Gutteil des FPÖ-Personals bis hinauf zum Parteiobmann kann auch deshalb so leicht rote Positionen ansprechen, weil es die sozialistischen Herzensanliegen internalisiert hat. „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“, wie es so schön heißt, und die sind in dem Fall eben blau. Damit die SPÖ nicht gar arbeitslos wird, macht sie also den rettenden Brückenschlag zur FPÖ hin. Auf die Argumentation, wie das aus Staatsräson legitimiert wird, was der ÖVP seinerzeit noch verboten war, darf man gespannt sein. Vielleicht ist das der wahre Notstand einer gespaltenen Partei.

Eine etwas gekürzte Version erschien in der Kleine Zeitung, 12.5.2016

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