Günstige KMU Finanzierung ausgeträumt: Ohne Nachrangdarlehen keine Bürgerbeteiligung?

/

Das aktuelle Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz zum Energieanbieter Karma Werte GmbH (die Karma Werte) erklärt nicht nur zahlreiche Klauseln des von der Karma Werte mit Kleinanlegern abgeschlossenen Darlehensvertrags für unzulässig, sondern insbesondere auch die bisher gängige Finanzierung mittels Nachrangdarlehen. Damit stellt sich das Landesgericht Graz gegen das noch nicht einmal ein Jahr alte Alternativfinanzierungsgesetz (AltFG), das die Finanzierung durch solche Instrumente explizit zulässt. Die Auswirkungen für bestehende Finanzierungen können schwerwiegend sein, sollte das Urteil im Instanzenzug bestätigt werden.

Im Gegensatz zu regulären Darlehen haben Nachrangdarlehen den Vorteil, dass sie auch von Gesellschaften ausgegeben werden können, die nicht über eine Bankenkonzession verfügen. Nachrangdarlehen bieten zudem meist höhere Zinsen als konventionelle Anlageprodukte. Der Nachteil: Geht das Unternehmen in Konkurs oder steht ein Konkurs bevor, dann werden zuerst die anderen Gläubiger – in der Regel Banken und Lieferanten – bedient. Bleibt danach nichts übrig, ist die Einlage weg.

So sieht das LG Graz in der Nachrangigkeit der Forderungen der Darlehensgeber, also der Anleger, eine eklatante Schlechterstellung der Verbraucher, die auch nicht durch höhere Zinsen für das höhere Risiko ausgeglichen werden können. Das Gericht argumentiert, gemeinsam mit dem Kläger, dem Verein für Konsumenteninformation, dass das unternehmerische Risiko auf den Darlehensgeber, also den Verbraucher, im Umfang der Finanzierung übertragen wird, während dieser in keiner Weise am unternehmerischen Erfolg des finanzierten Unternehmens teilnimmt. Generell soll ein Nachrangdarlehen bei der Ausgabe solcher Finanzierungsprodukte nur dann zulässig sein, wenn es die einzige Möglichkeit darstellt, eine solche Finanzierung umzusetzen.

Vom Präzedenzfall zur Lawine?

Zwar bezieht sich das Urteil auf den Einzelfall der Karma Werte, doch ist bei Rechtskraft mit größeren Wellen zu rechnen, da sich Nachrangdarlehen bei Bürgerbeteiligungen (als auch bei Crowdfinanzierungen) zum bevorzugten Finanzierungsinstrument entwickelt haben. Unternehmen mit ausstehenden Finanzierungen über Nachrangdarlehen werden sich überlegen müssen, wie sie im Fall der Rechtskraft des Urteils weiter vorgehen wollen. Zur Möglichkeit stehen dann etwa die (außerordentliche) Kündigung des Produkts oder eine gemeinschaftliche Änderung der Vertragsbedingungen.

Aber auch mittelbare Auswirkungen für die finanzierten Unternehmen sind zu bedenken: Da Nachrangdarlehen ja meist nur einen Teil der Gesamtfinanzierung darstellen und parallel finanzierende Banken ihre Finanzierungszusage typischerweise auf Basis der Nachrangigkeit aller anderen Fremdkapitalgläubiger geben, ist auch hier mit Problemen zu rechnen. Und zu allerletzt bedeutet die festgestellte Unzulässigkeit der Nachrangigkeit, dass entsprechende Finanzierungen als reguläre Darlehen zu qualifizieren sind und man deshalb ohne Zutun in den Anwendungsbereich des Bankwesengesetzes fallen kann (Stichwort Staudinger).

Bedenken des Gerichts korrekt?

Am Markt sind die Meinungen zum Urteil gespalten. Einerseits wetzen Anlegeranwälte die Messer und fallen in die Argumentation des Gerichts ein, dass die Vereinbarung der Nachrangigkeit gegenüber Verbrauchern nicht angemessen und stark benachteiligend ist. Auf der anderen Seite herrscht Fassungslosigkeit bei den betroffenen Unternehmen und Kapitalmarktexperten, wie das Gericht eine solche Entscheidung entgegen den klaren Willen des Gesetzgebers auf den Weg bringen konnte.

Tatsächlich ist die Argumentation des Gerichts nicht vollends schlüssig.

Zwar erkennt das Gericht richtigerweise, dass ein Nachrangdarlehen ein erhöhtes Risiko für den Anleger darstellt, bei dem man nicht notwendigerweise voll am Unternehmenserfolg mitpartizipiert, vergisst aber zu erwähnen, dass Darlehen im Gegensatz zu Produkten mit voller Teilnahme am Unternehmenserfolg typischerweise einen Mindestzinssatz vorsehen, den man unabhängig vom Unternehmenserfolg bezahlt bekommt. Unter diesem Aspekt scheint die Deckelung des Zinssatzes gerecht und eben doch angemessen.

Auch rechtlich begibt sich das Gericht auf dünnes Eis, wenn es die Nachrangigkeit als in AGBs gröblich benachteiligend und daher unzulässig qualifiziert. Die hier einschlägige Bestimmung des § 879 Abs 3 ABGB sieht diese Konsequenz nämlich lediglich für Nebenbestimmungen vor – ob die Nachrangigkeit aber tatsächlich lediglich eine solche Nebenbestimmung darstellt, scheint zweifelhaft, betrifft sie ja wohl eher eine Hauptpflicht, nämlich jene auf Rückzahlung des Darlehens.

Und rechtspolitisch beißt sich die Katze ohnehin in den Schwanz: Zwingt die Finanzmarktaufsicht (FMA) auf Basis des bestehenden Bankenmonopols für das Einlagengeschäft entsprechend interessierte Emittenten und Anleger in das Nachrangdarlehen, welches als Finanzierungsinstrument bei Bürgerbeteiligungen ja auch explizit durch das AltFG vorgesehen ist, wurde dieses nun durch das LG Graz als unzulässig eingestuft.

Hohe Rendite mit gerichtlicher Abfederung des eingegangenen Risikos?

Für die folgenden Instanzen gilt es, die eingenommene Beschützerrolle des Gerichts kritisch zu hinterfragen, die Anlegern pauschal jegliche Vernunft abspricht und den Emittenten die schwarze Karte zuschiebt. Klar ist, dass es in der heutigen Wirtschaftswelt ohne das Eingehen von Risiko keine zufriedenstellende Rendite auf Kapital gibt – das Herauspicken der Rosinen aber, also die Gewährung einer hohen Rendite mit gerichtlicher Abfederung des eingegangenen Risikos, stellt aber eine unverantwortliche Schlechterstellung des Unternehmens dar und konterkariert die Bemühungen Österreichs, wieder etwas Schwung und Wachstum in den Markt zu bringen.

 

Rainer Kaspar

Dr. Rainer Kaspar ist Partner bei PHH Prochaska Havranek Rechtsanwälte GmbH in Wien und Experte für Start ups und Crowdinvesting.

Nächste Veranstaltung

Ich möchte zur Veranstaltungsreihe der Weis[s]e Salon eingeladen werden

Nächste Veranstaltung

Steuerpolitik für den Wirtschaftsstandort