Migration und Integration – eine Positiv-Strategie ist gefordert

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Ein paar hundert Flüchtlinge in ein paar Tagen, bis Jahresende werden es wohl einige tausend sein – und die Politik in Österreich ist bereits heillos überfordert (erst recht, wenn Private vorbildhaft einspringen). So als würde die Kriegsmigration aus dem Nahen Osten und die Armutsmigration aus Afrika jetzt überraschend über uns hereinbrechen.

Dabei würden für die Erstaufnahme und Notversorgung der Flüchtlinge sogar ein paar leerstehende Kasernen zur Verfügung stehen – allein, einige Bundesländer und Bürgermeister zeigen der für die Flüchtlings-Betreuung und Asylverfahren zuständigen Innenministerin ihre faktischen Grenzen auf und blockieren eine für Flüchtlinge und Staat gleichermaßen notwendige rasche Versorgung. Die ganze Republik steht still, wenn unser starker Arm es will! Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, um die Auswüchse des österreichischen Verschwendungs- und Verhinderungs-Föderalismus aufzuzeigen, dann wäre er damit wohl geliefert.

Angesichts der gegenüber einer konstruktiven Vorgangsweise anhaltenden Verweigerung durch die Landeshauptleute, die dafür quasi als Belohnung beim nächsten Finanzausgleich wieder kräftig vom Steuerkuchen des Bundes abkassieren wollen, um wieder genug Geld für irgendwelche Renommierprojekte zur Verfügung zu haben, kann es für die Bundesregierung nur eine Lösung geben: alle Kompetenzen in Flüchtlingsfragen an sich zu ziehen und die widerspenstigen Länder mittels Kürzungen beim anstehenden Finanzausgleich zur Mitverantwortung in der Flüchtlingsbetreuung zu zwingen.

Natürlich ist eine halbwegs ordnungsgemäße Kanalisierung und Verteilung der großen Flüchtlingsströme nur im europäischen Verbund zu bewerkstelligen. Aber bis zu einer europaweiten Aufteilungsregelung muss jedes Land selbst mit den Asylverfahren und der Erstaufnahme fertig werden – und zwar in einer zivilisierten Art und Weise, die es Nationalpopulisten nicht ermöglicht, aus der humanitären Not einiger tausend Menschen politische Wahlerfolge zu schlagen.

Das ist ja der Grund für den Stillstand: um nicht der Ausländerhetze einer bestimmten Partei vermeintlich Munition zu liefern, haben sämtliche Bundesregierungen der letzten 20 Jahre viel zu wenig an effizienten und transparenten Aufnahme,- Betreuungs,- und Integrationsmaßnahmen für Flüchtlinge und Migranten durchgesetzt, sodass nunmehr dieser scheinbare Staatsnotstand entstanden ist. Die bevorstehenden Landtagswahlen lassen außerdem weitere Wellen der Hysterie und Unvernunft befürchten.

Gefragt ist in dieser verfahrenen Situation jetzt eine rasche und konzertierte Aktion aller betroffenen staatlichen Stellen, NGOs und Privaten, um mit einer nationalen Kraftanstrengung die Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen und Migranten menschenwürdig, dabei auch für das Land verkraftbar und damit zukunftssicher zu machen. Eine solche positive offensive Strategie anstatt kleinlich provinzieller Angstmacherei würde bei entsprechender Kommunikation auch von der Bevölkerung verstanden und letztlich mitgetragen werden.

Ein sozial verträgliches und zukunftsorientiertes Konzept zur Betreuung und Integration von Migranten, das der Integrationsbericht 2014 auflistet, muss jedenfalls sichtbare Fortschritte in den bereits definierten Bereichen bewirken: sprachliche Frühförderung in Kindergarten und Schule, Anerkennung der im Ausland erworbenen Qualifikationen, gezielte Suche nach Fachkräften für bestimmte Branchen, die besten ausländischen Studienabsolventen im Land zu behalten, politische Bildung für Migranten, Dialog der Religionen und Kirchen, Einbeziehung von Migranten in die Zivilgesellschaft. Schließlich braucht nicht nur der heimische Arbeitsmarkt in vielen Branchen ausländische Arbeitskräfte mit entsprechender Qualifikation schon heute dringend, sondern wird langfristig auch der längst in Schieflage befindliche Generationenvertrag  nur mit diesen notwendigen Steuer- und Beitragszahlern aufrechterhalten werden können. Von einer gelungenen Integration ausländischer Arbeitskräfte wird mittelbar auch die Finanzierung unserer Pensionen abhängig sein, vielleicht versteht man im Pensionsparadies Österreich zumindest diesen Zusammenhang.

Außenminister Kurz, der ja politisch auch für die Integration und als Anwalt der Jugend auch für die Generationengerechtigkeit zuständig ist, soll eine bundesweite Task Force bilden, um Österreich aus der permanenten Angstlähmung durch das Ausländerthema mit einer humanitären Migrationspolitik, für die man sich nicht zu schämen braucht und die aber auch für alle Beteiligten wirtschaftlich vernünftig ist, wieder auf die Zukunftsspur zu bringen. Das wäre – auch in Europa – ein starkes positives Zeichen für ein optimistisches, weltoffenes  und integrationsfähiges Österreich, ein wirkliches levelling up, von dem wir alle etwas hätten.

Andreas Kresbach, Die Weis[s]e Wirtschaft

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