Steuerreform 2015/2016 – kritisch betrachtet

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Am 17. März 2015 hat Finanzminister Schelling in seinem Vortrag an den Ministerrat eine Reihe steuerlicher Maßnahmen als „Steuerreform 2015/2016“ zusammengefasst und den Antrag gestellt, die Bundesregierung möge diese Maßnahmen beschließen. Wie ist diese politische Willenserklärung zu bewerten?

Im Konflikt mit den EU-Fiskalregeln

Die Bundesregierung, die aufgrund der EU-Fiskalregeln verpflichtet wäre, noch heuer das sogenannte mittelfristige Budgetziel eines ausgeglichenen Haushalts (MTO) zu erfüllen (struktureller, d.h. um konjunkturelle und Einmalmaßnahmen bereinigter Budgetsaldo von maximal -0,5% des BIP), hat diese Zielerreichung unbeirrt erst für 2016 geplant. Darüber hinaus wäre Österreich verpflichtet, bis zur Erreichung des MTO eine jährliche Verbesserung des strukturellen Budgetsaldos um 0,6% des BIP zu erzielen („Anpassungspfad“) – konkret wird für 2015 lediglich eine Verbesserung um 0,1% erwartet! Die Steuerreform wird in den kommenden Jahren den strukturellen Budgetsaldo verschlechtern, weil die Maßnahmen der Gegenfinanzierung – wenn überhaupt in dem Umfang – teilweise verzögert greifen. Zu Recht warnt der Fiskalrat vor einer „erheblichen Abweichung“ vom geforderten Anpassungspfad, der den Frühwarnmechanismus im Sinne des Stabilitäts- und Wachstumspakts auslösen würde (mit EU-Empfehlungen und einem verbindlichen Zeitplan für Korrekturmaßnahmen).

Empfehlung der Wirtschaftswissenschaft

Ökonomisch unbestritten und daher auch regelmäßig Teil von Empfehlungen der EU, OECD und IWF sind folgende, die Steuerstruktur betreffende, finanzpolitische Zielsetzungen:

  • Entlastung der Faktoren Arbeit und Kapital (insbesondere Beseitigung der „kalten Progression“ bzw. inflationsbedingte Scheingewinne), und, sollten dafür im Gegenzug Steuereinnahmen notwendig sein, Belastung des Konsums (insbesondere Beseitigung von reduzierten Umsatzsteuersätzen, die eine wettbewerbsverzerrende Branchensubventionierung darstellen)
  • Finanzierungsneutralität zwischen Eigen- und Fremdkapital
  • Abbau bzw. Vermeidung von Transaktionssteuern
  • keine Vermögens(substanz)steuern; sollten vermögensbezogene Steuern notwendig sein, Rückgriff auf Grundsteuern, Erbschafts- und Schenkungssteuer (mit adäquaten Regeln für Unternehmen)

Flickwerk ohne Strategie

Gemessen am wirtschaftswissenschaftlichen Maßstab sind die Senkung der Lohn- und Einkommensteuer und die Erhöhung der Umsatzsteuer positiv zu sehen, beides getrübt durch eine nur zögerliche und unvollständige Beseitigung von Ausnahmen. Statt einer Erhöhung der Grundsteuer wurde ein sogenanntes Solidaritätspaket geschnürt, das sich negativ zu Buche schlägt: Erhöhung der Kapitalertragsteuer auf Dividenden (begünstigt Fremdkapital); höhere Besteuerung von Grundstückstransaktionen; außerordentlichen Erhöhung der ASVG-Höchstbeitragsgrundlage (die dadurch erworbenen Ansprüche belasten mittelfristig das Budget).

Elemente eines Steuerwettbewerbs (in Österreich sinnvollerweise auf Gemeinde-, nicht auf Länderebene) fehlen, könnten bzw. sollten im Zuge der kommenden Verhandlungen zum Finanzausgleich Eingang finden! Dass die Komplexität des Steuerrechts durch das vorliegende Flickwerk an Maßnahmen eher zu- als abnimmt, sei als Endnote vermerkt.

Peter Brandner, Die Weis[s]e Wirtschaft

Anmerkung: dieser Kommentar wurde für INARA – Initiative Aufsichtsräte Austria verfasst.

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