Steuerreform – Entlastung der Familien?

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Im Rahmen der Steuerreform sollten neben den Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen auch speziell die Familien spürbar entlastet werden. Schließlich ist im österreichischen System des „horizontalen Familienlastenausgleichs“ vorgesehen, dass alle Eltern aufgrund der gegenüber ihren Kindern bestehenden Unterhaltspflicht, das heißt: aus dem Titel „Familie“, finanziell entlastet werden und nicht etwa nur bei entsprechender Einkommenssituation. Gleichzeitig gehören die Familien im System der Individualbesteuerung, das die Zahl der zu versorgenden Personen im Haushalt nicht angemessen berücksichtigt, in der Gruppe des steuerpflichtigen Mittelstandes zu den am meisten belasteten Bevölkerungsgruppen. Denn während in Österreich das Niveau der Familientransferleistungen relativ hoch ist (2013: 9,3 Mrd. € bzw. 2,9% des BIP), bleibt die steuerliche Entlastung von Eltern im internationalen Vergleich weit unter dem Durchschnitt (2011: 529 Mio. € bzw. 0,2% des BIP), siehe die Übersicht hier.

Die letzte Reform der Familienbesteuerung datiert aus 1998 und liegt damit schon einige Jahre zurück. Da sich der objektive Befund der unzureichenden steuerlichen Entlastung von Unterhaltsleistungen an Kinder auch mit der alltäglichen Lebenserfahrung sehr vieler Familien in Österreich deckt, hatten auch Politiker der sich als „Familienpartei“ verstehenden Volkspartei die Entlastung der Familien zu einer ihrer Forderungen für die Steuerreform gemacht. Folgerichtig hatte der VP-Finanzminister für die Familienentlastung ein Volumen bis zu € 500 Mio. in Aussicht gestellt.

Es sollte jedoch ganz anders kommen. Nicht nur unter dem Diktat der leeren Kassen, wohl auch aus Rücksicht gegenüber dem Koalitionspartner SP, dem die Familienentlastung ausdrücklich kein Anliegen war, gab sich die „Familienpartei“ in sozialpartnerschaftlichem Entgegenkommen am Ende mit € 100 Mio., ganzen 2 Prozent des gesamten Entlastungsvolumens der Steuerreform, zufrieden. Mit diesem wohl mehr symbolischen Betrag wurde der bestehende Kinderfreibetrag von € 220 auf € 440 pro Kind/Jahr verdoppelt, das sind wohlgemerkt rund € 85 jährlich als bar auszahlbarer Gegenwert. Eine Analyse des erforderlichen Entlastungsbedarfs hatte dagegen einen angemessenen Kinderfreibetrag mit Werten zwischen € 570 und € 2.750, je nach Alter und Unterhaltsbedarf der Kinder, ergeben, was bei über 930.000 einen Anspruch vermittelnden Kindern Mehrkosten von rund € 500 Mio. bedeutet hätte (vergleiche das „Familienpaket“ im Rahmen unseres Steuerreformkonzepts).

Nachdem die erforderliche Entlastung vor allem der Mittelstands-Familien bei dieser Steuerreform nun ausbleibt, wird mancherorts versucht, statt der speziellen Steuerentlastung für Familien auf die mit der allgemeinen Tarifreform für alle Steuerpflichtigen bewirkte Entlastung zu verweisen: Dazu gibt es mittlerweile sogar einander widersprechende Analysen: so bescheinigt das IHS der Steuerreform insgesamt eine stärkere Entlastung der Kinderlosen gegenüber den Familien, während das Institut für Familienforschung noch von einer höheren Entlastung der Familien gesprochen hatte. Alles offenbar eine Frage der Methodik, Datenaufbereitung und Darstellung (nicht ganz: aus methodisch-analytischen Gründen ist den Ergebnissen der IHS-Studie zu folgen). Jedenfalls: € 220 pro Kind/Jahr werden auch beim „Schönrechnen“ nicht mehr.

Grundsätzlich widerspricht aber genau dieser Verweis auf die allgemeine Tarifentlastung dem Prinzip des Lastenausgleichs aus dem Titel „Familie“.

Und außerdem könnte dies eigentlich nur heißen: am besten ist es für die Familien, wenn in Zukunft, zumindest bei den wichtigen Fragen des finanziellen Lastenausgleichs, der Finanzminister für sie die Politik gleich mitmacht. Aber das kann wohl nicht im Interesse von über 1 Million österreichischer Familien sein …

Übrigens: wenn mancherorts der Eindruck verbreitet werden sollte, Österreich gebe zu viel an öffentlichen Mitteln für Familien aus, belegt die zitierte aktuelle WIFO-Studie, dass vergleichbare Staaten wie Dänemark, Schweden, Frankreich und mittlerweile auch Deutschland – bezogen auf ihre Wirtschaftsleistung – mehr für die Familienförderung ausgeben als Österreich.

Andreas Kresbach, Die Weis[s]e Wirtschaft

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