Umfrage- und Analyseflops

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Wenn die Wirklichkeit nicht mit dem Begriff übereinstimmt, umso schlimmer für die Wirklichkeit

Bei den Wiener Wahlen haben die meisten in den Medien präsenten Meinungsforscher und Analytiker veritable Flops hingelegt. Ein paar Erklärungen:

  1. Nicht repräsentative Stichproben: vor allem die zunehmenden Internetbefragungen tendieren nach wie vor zu einer verzerrten Abbildung der Meinungsbildes mancher Bevölkerungsgruppen. Ähnliches gilt für die zu Prognosezwecken notorisch unzureichenden Wahltagsbefragungen (verzerrte Struktur der daran Teilnehmenden) in Ländern (Gemeinden etc.) mit stark zersplitterter Parteienlandschaft und annähernd repräsentativem Wahlsystem (der Normallfall in Kontinentaleuropa).
  2. Fehler bei der Zurechnung von Befragten, die bei Vorwahlbefragungen keine Wahlabsicht äußern: die Deklarationsbereitschaft einzelner Parteiwählerschaften ist unterschiedlich und stimmungs- bzw. situationsabhängig. FPÖ-Anhänger etwa weisen zumeist eine starke Unterdeklaration auf, nicht aber im Gefolge rezenter Wahlerfolge ihrer Partei. Verwendet man den üblichen Schlüssel zur Aufteilung der Nichtdeklarierten auf die Parteien, führt dies zur Über- bzw. Unterschätzungen der Wählerschaft mancher Parteien.
  3. Herdentrieb und medialer Spannungsaufbau: auch Meinungsforscher sind vor einer Anpassung ihrer Dateninterpretation an den mainstream veröffentlichter Umfragen (wenn schon irren, dann lieber im Kollektiv) und den medialen Druck zur Publikation „spannender“ Ergebnisse („Kopf an Kopf“) nicht gefeit.
  4. Shit happens, speziell bei (hier: verbalem) Durchfall: zum Wahlschluss gab es in Wien noch keine ausgezählten Stimmen. So konnten manche Politikberater, Meinungsforscher und der „Hans-Dampf-in-allen-Wahlgassen“ Hauspolitologe des ORF ihren Redeschwall nicht zähmen und „analysierten“ ein vermeintliches Wahlergebnis (basierend auf einer Kombination von Vorwahl- und Wahltagsbefragung, siehe Fehlerquellen 1 und 2 ), ohne die erste (auf realen Wahlergebnissen beruhende) Hochrechnung abzuwarten. Wie sagte schon Hegel: „Wenn die Wirklichkeit nicht mit dem Begriff übereinstimmt, umso schlimmer für die Wirklichkeit“.

PS: Ebenso mit kritischer Vorsicht sind Wählerstromanalysen zu betrachten …

 

Peter A. Ulram, Univ.-Doz. für Politikwissenschaften und Geschäftsführer
ecoquest Market Research & Consulting GmbH

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