Wenn Aufseher wegsehen – oligopolbedingte Preisanstiege im Mobilfunk

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Jeder kennt es: Aufgrund technischen Fortschritts werden Elektronikprodukte zumindest in Bezug auf ihre messbaren Daten tendenziell immer günstiger. Nur bei der Dienstleistung des Mobiltelefonierens hat in Österreich im Jahr 2013 eine Trendwende eingesetzt. Schon früher sind branchenweit und nachträglich verschlechterte Abrechnungstaktungen vorgekommen. Ebenso führen intransparente Tarifmodelle leicht zur suboptimalen Auswahl durch den Kunden.

Aber erst die Entwicklungen kurz nach der Übernahme von Orange durch Hutchison 3G (gemäß Entscheidung der Europäischen Kommission; kritisch dazu Almunia) und der Übernahme der Diskont-Tochter Yesss! durch A1 (Entscheidung 26 Kt 47, 48/12 des nationalen Kartellgerichts) haben die Situation markant verändert.

Während noch vermeintlich „ruinöser Wettbewerb“ beklagt und über fragwürdige Studien verkündet wurde, scheint man mit der Reduktion von vier auf drei Mobilfunknetzbetreiber Ende 2012 erkannt zu haben, dass man als Anbieter besser mit guten Margen bei der vorhandenen Kundenzahl verdient, als sich einen Preiskampf mit den anderen Anbietern zu liefern.

Preisanstieg um 30% vor gut 2 Jahren

Entsprechend kam es nach typischerweise rund 10% jährlichen fortschrittsbedingten Preissenkungen im Mobilfunk von 2013 auf 2014 zu einem plötzlichen und parallelen Preisanstieg sämtlicher Anbieter. Dieser hat zuerst bei neuen Verträgen stattgefunden und wurde kurz darauf über ein vermeintliches Vertragsänderungsprivileg nach § 25 Telekommunikationsgesetz auch bestehenden Kunden aufgedrängt. Derartiges ist nur möglich, wenn die Anbieter gegenüber ihren Kunden marktmächtig sind und das Anbieteroligopol ähnliche Geschäftsstrategien verfolgt (die zuständige Regulierungsbehörde versteht die mit der Aufsichtspflicht zusammenhängende Bestimmung weiterhin als Privileg der großen Anbieter zur einseitigen Verschlechterung der Kundenverträge, anstatt ihren wahren Inhalt als Indikator für Marktmacht wahrnehmen zu wollen).

Im Falle der aus technischen Gründen resultierenden Exklusivzuweisung von Frequenznutzungsrechten im Mobilfunk sind neue Wettbewerber praktisch ausgeschlossen. Gleichzeitig ist bei 12 Mio. Mobilfunkverträgen in einem Land von 8 Mio. Bürgern die Nachfrage der Kunden relativ groß.

Analyse durch Berichte

Die plötzliche, branchenweite Anhebung sämtlicher Mobilfunkpreise um rund 30% hat insoweit primär die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) vor dem Hintergrund naheliegender (Verhaltens-)Kartelle und Missbrauch von Marktmacht auf den Plan gerufen. Dadurch wurde auch die Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR) unter Zugzwang gesetzt. Schließlich wäre unter dem Regime des Telekommunikationsgesetzes (§ 37) beträchtliche Marktmacht bereits von Vornherein zu verhindern gewesen, sodass es eigentlich nie zu derart signifikanten und kurzfristigen Preisanhebungen hätte kommen dürfen.

Nach gut zwei Jahren liegen nun immerhin seit 14. 3. 2016 zwei Berichte von BWB und RTR-GmbH vor, die sich den Vorgängen – allerdings in englischer Sprache anstatt der Amtssprache Deutsch – widmen (für eine etwas nähere deutschsprachige Analyse siehe meinen Beitrag hier). Naheliegender Weise haben beide schlussendlich markante Preisanstiege in den Jahren 2013 und 2014 festgestellt: grob +20 bis +90%, wobei 15% alleine auf die verstärkte Oligopolneigung durch nun drei statt bislang vier Mobilnetzbetreibern zurückzuführen sein dürften.

Seit 2015 werden regelmäßig Angebotsverbesserungen bejubelt, die nicht mehr Gegenstand der Berichte waren. Bei genauerer Analyse der zwar erkennbaren, aber sehr überschaubaren Verbesserungen seit 2015 fällt auf, dass sich angesichts technischen Fortschritts am überhöhten Preisniveau kaum etwas geändert hat (Grafik hier). Darüber hinaus sind Verbesserungen tendenziell auf die „Billigschiene“ wiederverkaufender Netzuntermieter sowie erweiterte Paketumfänge nutzungsintensiver Smartphone-Kunden beschränkt.

Berichte weisen zwischenzeitig 100% Aufschlag im Mobilfunk aus

Der von der Branche verbreitete und vom großzügigen Förderstaat Österreich im Rahmen der Breitbandmilliarde erhörte Vorwand, dass die vermeintlich hohen Lizenzkosten der LTE/4G-Frequenzauktion im Jahr 2013 (betreffend 2016 bis 2034) die Anhebungen unumgänglich gemacht haben, wurde von der RTR-GmbH immerhin entkräftigt. Sie können nur für rund ein Zehntel der tatsächlichen Preisanhebungen verantwortlich gemacht werden. Real machen die umfangreichen Werbeausgaben mit knapp 1 Euro pro Monat und Kunde (SIM-Karte) ähnlich viel wie die aliquoten Lizenzgebühren aus.

Interessant sind insoweit auch die Erkenntnisse der BWB, wonach der komplette Netzbetrieb einschließlich Netzinvestitionen nur rund 3 Euro pro Monat und Rufnummer ausmacht. Entsprechend führt der im Bereich von rund 6 Euro pro Anschluss und Monat liegende Aufwand (inklusive Lizenzgebühr, Kundenbetreuung und Werbung) zu durchschnittlich 12 Euro Umsatz pro Nummer. So scheinen die Aufschläge im Mobilfunk angesichts stetig sinkender Kosten bei signifikant gestiegenen Preisen von ebenfalls nicht niedrigen knapp 50% vor wenigen Jahren aktuell auf rund 100% gestiegen zu sein.

Auch die Geschäftsberichte können die markant gestiegene Profitabilität des heimischen Marktes kaum mehr leugnen (siehe nur folgende Beiträge zu A1, T-mobile und Hutchison 3G). Grob scheinen einem jährlichen Mobilfunkbranchenumsatz von 2 Mrd. Euro nötige Netzinvestitions- und -betriebskosten von 500 Mio. Euro und Lizenzgebühren von  100 Mio. Euro gegenüberzustehen (siehe den regelmäßigen RTR Telekom Monitor).

Nun fehlt „nur“ mehr das inhaltliche Tätigwerden der Behörden

Nun liegen somit immerhin behördliche Berichte vor, die die ohnehin wahrnehmbaren Ereignisse festhalten. Um in derartigen Situationen keine Übervorteilung der Kunden zu ermöglichen, gibt es kartellrechtliche Regeln, die explizite wie implizite Absprachen ebenso wie den Missbrauch von Marktmacht untersagen (§§ 1 und 5 Kartellgesetz). Da derartige Konstellationen im Bereich der elektronischen Datenübertragungen nicht unüblich sind, möchte das Telekommunikationsgesetz bereits das bloße Vorhandensein von (noch nicht missbrauchter) beträchtlicher Marktmacht durch spezifische Verpflichtungen verhindern (§ 37 Telekommunikationsgesetz und die hierbei wirksamen Maßnahmen zugunsten der Endkunden nach § 43 und § 45).

Normalerweise müsste eine ihren gesetzlichen Auftrag erfüllende Behörde spätestens nun – nach zweieinhalb Jahren und Fertigstellung der Berichte – tätig werden und zugunsten der Allgemeinheit gegen die Oligopoltendenzen einschreiten.

Stattdessen ist jedoch zu befürchten, dass hierzulande bereits der Bericht als großer Schritt gesehen wird und die Behörden an ein aktives Einschreiten real kaum denken: Die BWB betont die Komplexität des Falles und das weiterhin „genaue Beobachten“. Der Geschäftsführer der RTR-GmbH scheint angesichts freiwilligen Pseudowettbewerbs durch als Netzuntermieter fungierende „mobile virtual network operators“ seit 2015 bereits wieder „Sonnenschein“ am Markt anstatt Eingriffsbedarf erkennen zu wollen.

Anstatt das Versprechen einzulösen, den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen, oder wenigstens aus den Erfahrungen aus der Vergangenheit zu lernen, möchte man aktuell den Anbietern das einseitige Aufdrängen von Tarifanhebungen gar noch einfacher gestalten (siehe auch die Stellungnahmen zum Verordnungsentwurf).

Insoweit ist nicht einmal auszuschließen, dass das seit 2015 – ohne Beteiligung betroffener Kunden – laufende Verfahren M1/15 der Telekom Control Kommission erneut daran scheitern wird, vorhandene Marktmacht der drei Mobilfunkoligopolisten zu finden.

Dann stellt sich aber die Frage, wozu die Allgemeinheit mit ihrem Steuergeld (sowie über die Telefonrechnung weiterverrechneten Abgaben) Behörden finanziert, die ihr gesetzliches Mandat zum volkswirtschaftlich gebotenen Handeln bloß als Recht zum Berichteschreiben zu verstehen scheinen.

Die Telekom-Branche wird sich hingegen über jedes weitere Monat des Nichteinschreitens freuen …

 

Philipp Lust, Jurist
www.lust.wien/recht

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