Aus der Not der Finanzkürzung die Tugend der Strukturreform machen

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Dass die Lohnnebenkosten in Österreich zu hoch sind, ist lange bekannt. Dass die Regierung die Senkung der Arbeitskosten, die der Aufnahme zusätzlicher Beschäftigung entgegenstehen, schon seit sehr langer Zeit versprochen hat, ist auch bekannt. Dennoch wird dieses Vorhaben jetzt erst langsam – mit dem Jahr 2017 erst richtig – eingelöst.

An Lohnnebenkosten als die menschliche Arbeit belastenden Faktoren mangelt es hierzulande wahrlich nicht: neben den Dienstgeberanteilen an der Sozialversicherung sind das etwa die  Dienstgeberbeiträge zum Familienlastenausgleichsfonds und zum Insolvenzentgeltsicherungsfonds oder die Kommunalsteuer, rechnen Sie selbst.

Nun soll also der Dienstgeberbeitrag zum Familienfonds (FLAF), der derzeit 4,5% der Lohnsumme ausmacht, etappenweise auf 3,9%, d. h. letztlich um rund 900 Mio. € reduziert werden. Ein solches Vorgehen ist durchaus legitim, da die Lohnnebenkosten längst verringert gehören und Beiträge ja nicht auf ewige Zeiten gleichbleiben müssen. Eine wirklich nachhaltige Entlastung der Arbeitskosten müßte allerdings viel breiter aufgestellt sein und auch andere Lohnnebenkosten erfassen.

Nur an jener Schraube drehen, bei der es offenbar den geringsten politischen Widerstand gibt, ist sozialpolitisch unredlich: Wenn nämlich die Finanzierungsbasis des Familienlastenausgleichsfonds in einem Ausmaß geschmälert wird, das es nicht mehr erlaubt, die finanziellen Familienleistungen zumindest alle paar Jahre zu valorisieren und überhaupt den für eine angemessene Familienpolitik notwendigen Gestaltungsspielraum aufrechtzuerhalten.

Notwendig ist eine neue Finanzstruktur des FLAF

Die Finanzierung des FLAF, der insgesamt ein Finanzvolumen von derzeit fast 7 Mrd. € aufweist, besteht mit 83% zum überwiegenden Großteil aus den Dienstgeberbeiträgen und zu 16% aus Abgeltungen der Lohn- Einkommen- und Körperschaftssteuer aus dem Budget. Damit ist die Finanzbasis des Fonds konjunktur- und beschäftigungsabhängig, in guten Zeiten ist mehr Geld für Familienleistungen vorhanden als in Krisenzeiten – wenn es die Familien aufgrund der allgemeinen finanziellen Belastungen durch Preissteigerungen, anderweitige Einsparungen, etc. dagegen eher brauchen würden. Die Ausgabenseite des Familienfonds ist wiederum, machtpolitisch motiviert, durch einige Maßnahmen belastet, die nur bedingt familienrelevant sind oder als Versicherungsleistungen überhaupt in andere, dafür zuständige Finanztöpfe gehörten: so vor allem die Pensionsbeiträge der Kindererziehungszeiten (75% FLAF-Finanzierung im Ausmaß von 830 Mio. €) und das Wochengeld bzw. die Betriebshilfe (70% FLAF-Finanzierung im Ausmaß von 340 Mio. €), die eine Lohnersatzleistung der Krankenversicherung für unselbständig beschäftigte bzw. selbstständige Mütter sind.

Nicht nur Kürzung, sondern eine solide Finanzbasis

Um nicht die notwendige finanzielle Ausstattung des Familienfonds und damit die Zukunft der Familienpolitik zu gefährden, auf die Österreich im europäischen Vergleich ja mit Recht durchaus stolz sein kann, müssten mit der Reduktion des Dienstgeberbeitrages gleichzeitig Maßnahmen in zwei Richtungen gesetzt werden: auf der Seite der Ausgaben des FLAF die erwähnten Versicherungsleistungen zur Gänze dem jeweils zuständigen Fiskus zuzuordnen und auf der Seite der Einnahmen die Finanzierung des FLAF mit der Entrichtung des vollen Dienstgeberbeitrages durch die Gebietskörperschaften im Mehrausmaß von rund 300 Mio. € und der bisher unzureichenden Einbeziehung der Selbständigen und Freiberufler durch eine entsprechend erhöhte Abgeltung aus den Steuererträgen im Ausmaß von rund 400 Mio. € auf eine breitere Basis zu stellen.

Eine FLAF-Strukturreform ist notwendig

Mit einer solchen Strukturreform des FLAF im Ausmaß von mehr als 1,8 Mrd. € könnte sogar eine noch weitergehende Senkung des Dienstgeberbeitrags kompensiert und auch das Problem der durch die Ausweitung der erwähnten Versicherungsleistungen bewirkten latenten Verschuldung des FLAF, die der Finanzierung bzw. Wertanpassung der eigentlichen Familienkernleistungen entgegensteht, wesentlich entschärft werden.

Eine Gewichtsverlagerung der Einnahmen weg von Beschäftigung und Löhnen hin zu den allgemeinen Steuermitteln könnte jedenfalls mit dem gesellschaftlichen Stellenwert der Familien und als indirekter Finanzierungsbeitrag der älteren Generation aus demographischen Gründen argumentiert werden.

Die für die finanzielle Handlungsfähigkeit notwendigen Strukturreformen und Leistungsauslagerungen im Ausmaß von zumindest 750 Mio. € wurden der Politik 2011 in der IHS-Studie Familienlastenausgleich in Österreich 2011 – Rückblick, Status-quo und Zukunftsperspektiven aufgezeigt. Dasselbe gilt für den Rechnungshof-Bericht Familienbezogene Leistungen des Bundes und ausgewählter Länder aus dem Jahr 2011.

Passiert ist trotz amtsbekanntem Schuldenstand des Fonds und der leidigen Arbeitskosten-Problematik jahrelang freilich nichts. Warum könnte also zumindest nicht die nunmehrige Finanzierungskürzung der Anstoß für die fällige FLAF-Strukturreform sein?

Insgesamt muß es im Sinn einer eigenständigen und kalkulierbaren Familienpolitik darum gehen, den für Familienleistungen zweckgebundenen FLAF mit ausreichenden Mitteln auszustatten, um auch in Zeiten konjunkturell schwankender Einnahmen die gesetzlich festgelegten Ausgaben, das sind vor allem die großen Geldleistungen Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld und die Sachleistungen Schülerfreifahrt, Schulbücher, die Mitfinanzierung der Kinderbetreuungsplätze, etc. nachhaltig sicherstellen zu können.

Nicht zuletzt sorgen diese Familienleistungen im Ausmaß von jährlich über 6 Mrd. € auch für eine zumindest ungefähre Symmetrie im Generationenvertrag.

 

Andreas Kresbach, Die Weis[s]e Wirtschaft

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