Die Zukunft der ÖVP als reformfreudige Bürger-Partei

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Nicht erst die jüngsten Landtagswahlen und die dabei erfolgten ÖVP-Niederlagen haben die Frage nach dem Vorhandensein und der Zukunft bürgerlicher Politik laut werden lassen. Die anhaltende Abwanderung von VP-Wählern zu den Freiheitlichen, die keine inhaltlich überzeugenden Konzepte bieten können, ist im ständigen Nachgeben gegenüber einem inhaltlich zunehmend versteinerten Koalitionspartner begründet – und insgesamt in einer vor allem sozialpartnerschaftlich motivierten Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners. Will die aktuelle ÖVP-Spitze aus dieser Abwärtsbewegung herauskommen, muss zu den neuen Gesichtern eben auch eine unverwechselbar „bürgerliche“ Politik – will heißen: werte-, verantwortungs- und leistungsbewusst – kommen, um glaubwürdig zu signalisieren, die Führung in Politik und Staat übernehmen zu wollen.

Insgesamt braucht Österreich angesichts des schwachen Wirtschaftswachstums, neuen Krisen durch Flüchtlingsströme, etc. eine entschiedene Reformbereitschaft. Diese sollte die ÖVP von ihren Inhalten und Personen her, im Gegenteil etwa zu SPÖ und FPÖ, eigentlich verkörpern. „Bürgerlich“ heißt dabei grundsätzlich weder traditionalistisch noch zeitgeist-liberal, sondern aus dem Bewusstsein der Verantwortung für menschliche Werte, Bürgerrechte, eine leistungsfähige Wirtschaft und einen zukunftsfähigen Staat einer Gesellschaft für höhere Ziele auch etwas zuzumuten, um mit zeitgemäßen Maßnahmen aktuelle Herausforderungen zu bewältigen und darüber hinaus Krisen in neue Chancen zu verwandeln.

Politikbereiche, in denen die Handschrift einer modernen bürgerlichen Partei zu bemerken wäre, gibt es genug:

Wirtschaft

Mit einer spürbaren Entlastung der Lohnnebenkosten, die deutlich über die Vereinbarung des „Arbeitsmarktgipfels“ hinausgeht, und Liberalisierungen im Gewerberecht könnte der Arbeitsmarkt angekurbelt werden (ein planwirtschaftliches Bonus-Malus-System für ältere Arbeitskräfte mit einer Verdoppelung der Auflösungsabgabe ist dem Grunde nach der falsche Weg und, wie Wolfgang Mazal hier richtig anmerkt, „wenig zielführend“). Gleichzeitig sollte die Budgetpolitik sicherstellen, dass vermehrt in Forschung und Entwicklung, erneuerbare Energien und Green Jobs, und weniger in konsumptive Ausgaben investiert wird. Damit sollte Österreich in Europa wieder auf die Überholspur kommen und der Standort vor allem auch für High Tech-Betriebe attraktiv werden. Außerdem bleibt eine echte Steuerstrukturreform weiterhin auf der Tagesordnung.

Generationen

Das Pensionssystem bleibt aufgrund seiner Kosten und deren absehbarer weiterer Entwicklung ein andauerndes Minenfeld in der Koalition. Dass die Finanzierung der Pensionen, eine Überlebensfrage des Sozialsystems, nur mit substantiellen Reformen (Orientierung am Beitragsprimat) zu sichern ist, die vor allem massive Anreize für längeres Arbeiten, weitere Erschwernisse für eine Frühpension und die rasche Angleichung des Frauenpensionsalters umfassen müssen, weiß man zwar in der ÖVP, aber sollte man eben auch zur künftigen Koalitionsfrage machen, und zwar gleich mit einem konkreten Konzept, damit man bei der Nationalratswahl auch wirklich eine Wahl hat.

Mehr Rücksicht auf Generationen-Gerechtigkeit würde auch dem künftigen Fokus in der Familienpolitik entsprechen, die immer noch von der ÖVP geprägt wird. Das könnte etwa heißen: stärkere Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten bei der Pension und einen tragfähigen Lastenausgleich auch bei der Pflege. Für Eltern kleiner Kinder geht es um das praktische Einlösen der bewährten ÖVP-Position der Wahlfreiheit, die sich etwa im Engagement für qualifizierte Elternteilzeit und Vielfalt in der Kinderbetreuung zeigen sollte anstatt bloß den wohlfeilen Slogan der „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ zu übernehmen.

Bildung

In der Bildungspolitik können der Abwehrkampf gegen die Gesamtschule und eine eher widerwillige Zustimmung zu ganztägigen Schulformen allein kein Markenzeichen bürgerlicher Politik sein. Das ist nur ein Zeichen mangelnder eigener Konzepte. Auch dass man die Bildungspolitik seit Jahren der in ihrem Beharrungsvermögen sehr effizienten Lehrergewerkschaft überlässt, die schon lange nicht mehr alle Lehrer und Lehrerinnen vertritt, sagt schon alles. Und in der Hochschulpolitik, ehedem eine Domäne der ÖVP, lässt man sich durch die ideologische Bestemmhaltung der SPÖ gegen Studiengebühren auch vollends lähmen anstatt an den Unis die überfälligen Investitionen voranzutreiben. Von einer zukunftsorientierten Bildungsstrategie ist die ÖVP jedenfalls weiter entfernt denn je – wer ist eigentlich Bildungssprecher(in) der Bürgerlichen?

Integration

Schließlich wird es höchste Zeit, dass die Volkspartei endlich ein konstruktives Verhältnis zur Migration von Flüchtlingen und Einwanderern entwickelt. Österreich ist, wie ganz Europa, längst ein Einwanderungsland, damit muß man für alle Seiten nutzenstiftend umgehen. Gerade einer Wirtschaftspartei müßte klar sein, dass wir in vielen Branchen Lehrlinge und Fachkräfte brauchen. Die globale Gesinnung des Christentums und sein bewährtes Engagement für Menschenrechte sollte dabei – ganz im Gegenteil zur provinziellen Verhetzung und dem Kleinreden Österreichs durch die „soziale Heimatpartei“ – eine nützliche und inspirierende Motivation sein. Die Krise als Chance begreifen – wie wär`s einmal damit?

Staatsreform

Ob die ÖVP aber tatsächlich jene „Staatsgesinnung“ verkörpert, die sie gerne für sich in Anspruch nimmt und die eigentlich ihrem traditionellen Selbstverständnis entsprechen würde oder aber doch nur die althergebrachte Klientelpolitik betreibt, könnte sie daran zeigen, ob sie überhaupt noch an eine Staatsreform denkt und eine solche auch zum Koalitionsthema macht. So klar es ist, dass es dafür eine objektive Notwendigkeit gibt, so ernüchternd ist auch das Engagement der „staatstragenden“ Regierungsparteien. Denn mit einer grundlegenden Neugestaltung des Finanzausgleichs und einer Reform des Föderalismus, die endlich einmal die fehlende budgetäre Verantwortlichkeit aber gleichzeitige Ausgabenfreudigkeit der Länder korrigiert, macht man sich in der eigenen Partei und zumal bei den mächtigen Landeshauptleuten eben keine Freunde.

Bei der zunehmenden Anzahl der Wechselwähler und Nichtwähler jedoch würde eine solche Staatsreform sicher Applaus bekommen. Schließlich würde es der ÖVP sicher guttun, über den altbekannten Funktionärs- und Sozialpartnerkader hinaus auch für neue Kräfte von außen anziehend zu sein. Bürgerliche mit dem notwendigen Innovations-Potenzial gibt es nämlich nicht nur in (derzeitigen) ÖVP-Kreisen.

Eine moderne bürgerliche Politik, die letztlich auch zum Erfolg führt, kann jedenfalls nur darin bestehen, den großen Reform-Entwurf mit den entsprechenden Repräsentanten glaubwürdig und sympathisch der Öffentlichkeit als attraktives Zukunftskonzept, das sich auch sichtbar von jenen der Mitbewerber unterscheidet, zu präsentieren.

 

Andreas Kresbach, Die Weis[s]e Wirtschaft

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