Für einen ehrlichen und pragmatischen Zugang in der Flüchtlingsfrage

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Wir brauchen einen ehrlichen, pragmatischen Zugang. Österreich hat im vergangenen Jahr rund 90.000 Asylanträge angenommen. Auch heuer muss mit vielen Asylanträgen gerechnet werden. Dass dies kein Dauerzustand sein und Österreich nicht unbeschränkt Asylwerber aufnehmen kann, liegt auf der Hand. Doch wie soll dieser gewaltigen Herausforderung begegnet werden?

Die Regierung, die Asylbehörden, die Polizei, das Bundesheer, sie alle sind an die Gesetze gebunden. Die Rechtslage muss daher Ausgangspunkt für alle Überlegungen sein, wie der Zustrom von Menschen vor allem aus Syrien, dem Irak, aus Afghanistan, aus Marokko, Algerien und Libyen bewältigt werden kann.

Wenn wir pauschal von Flüchtlingen sprechen, dann wird dies den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht. Ein großer Teil der Menschen, die gekommen sind und noch kommen werden, kommt nicht deshalb, weil sie wegen eines persönlichen Merkmals verfolgt werden. Sie sind Vertriebene, soweit sie aus Syrien oder aus dem Irak kommen. Ihnen sollte ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht gewährt werden. Während ihres Aufenthalts in Österreich sollte das Ziel sein, sie durch Bildung und Ausbildung für einen Wiederaufbau ihrer Heimat fit zu machen.

Wenn Menschen an der Grenze oder auf österreichischem Hoheitsgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz stellen, dann muss der Antrag angenommen werden, und es muss zuerst geprüft werden, ob Österreich für das Asylverfahren zuständig ist. Ist Österreich zuständig, dann muss der Antrag auch inhaltlich geprüft werden.

Die beim „Asylgipfel“ nun festgesetzte Obergrenze („Richtwert“) berechtigt nicht dazu, Menschen an der Grenze zurückzuweisen, wenn Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz inhaltlich prüfen muss. Nach Slowenien können sie nur überstellt werden, wenn sie erstmals in Slowenien in die EU gekommen sind oder sich mindestens durchgehend fünf Monate dort aufgehalten haben.

Wer die Grenze übertritt und keinen Antrag auf internationalen Schutz stellt, begeht eine Verwaltungsübertretung. Er muss jedenfalls registriert werden; eine Rechtsgrundlage dafür, ihn nach Deutschland zu transportieren, weil er in Deutschland einen Antrag auf internationalen Schutz stellen will, gibt es nicht.

Die Staatsgrenze muss von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes kontrolliert werden, nachdem die EU Außengrenze nicht ausreichend kontrolliert wird und der ungehemmte Zustrom von Menschen die öffentliche Ordnung und nationale Sicherheit gefährden kann. Für einen „Schießbefehl“ in dem Sinn, dass Menschen mit Waffengewalt am Überschreiten der Grenze gehindert werden könnten, gibt es eine Rechtsgrundlage nur unter den – sehr engen – Bedingungen des Waffengebrauchsgesetzes. Das gilt sowohl für die Polizei als auch für das Bundesheer im Assistenzeinsatz an der Grenze.

Die angesprochenen Rechtsfragen sind im Beitrag „Die Rechtslage in der Flüchtlingsfrage“ ausführlich erläutert.

 

Irmgard Griss, Juristin

Hon.-Prof. Dr. Irmgard Griss, LL.M., war Richterin, von 2007 bis zu Ihrer Pensionierung Ende 2011 Präsidentin des Obersten Gerichtshofs (OGH); 2010/2011 Präsidentin des des Netzwerks der Höchstgerichtspräsidenten der Europäischen Union.
Irmard Griss will für mehr Ehrlichkeit, Mut und Verantwortung in der Politik eintreten. Sie kandidiert für das Amt der Bundespräsidentin.

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