Hat die Hypo-Untersuchungskommission Akten vernichtet?

/

Eine Klarstellung zum Vorwurf, die Hypo-Untersuchungskommission hätte durch die Löschung ihrer (privaten!) Arbeitsunterlagen „Akten“ „vernichtet“.

Die Kommission und ihre Unterlagen

Zu unterscheiden ist zwischen jenen Unterlagen, die die Kommission von verschiedenen Institutionen, wie Finanzministerium, Finanzmarktaufsicht, Nationalbank, zur Verfügung gestellt bekommen hat, und den Unterlagen, die die Kommission selbst produziert hat.

Die zur Verfügung gestellten Unterlagen durften vereinbarungsgemäß nur für die Untersuchung verwendet werden und mussten nach Beendigung der Untersuchung zurückgegeben werden. Soweit Unterlagen digital zur Verfügung gestellt wurden, wurde bei Beendigung der Untersuchung rückgefragt, wie vorgegangen werden soll. Vereinbart wurde, dass Kopien und Ausdrucke vernichtet, digitale Aufzeichnungen (mit einem Löschprogramm) gelöscht werden. In Papier zur Verfügung gestellte Unterlagen wurden „körperlich“ zurückgestellt.

Selbst produziert hat die Kommission Gesprächsprotokolle, Gesprächsnotizen, Berichtsentwürfe und schließlich den Endbericht. Gesprächsprotokolle wurden bei der Vernehmung der 13 Auskunftspersonen erstellt, die von der ganzen Kommission befragt wurden. Diese Protokolle wurden den Auskunftspersonen zur Korrektur übermittelt, soweit nicht – wie in einem Fall – darauf verzichtet wurde. Über die Gespräche der Vorsitzenden mit mehr als 30 Personen hat die Vorsitzende kurze Gesprächsnotizen als Gedächtnisstütze verfasst; aufgezeichnet wurden diese Gespräche nicht.

Vertrag zwischen der Kommissionsvorsitzenden und dem Finanzministerium

Im Vertrag zwischen der Kommissionsvorsitzenden und dem Finanzministerium ist nicht geregelt, wie die Kommission nach Beendigung ihrer Arbeit mit ihren Arbeitsunterlagen verfahren soll. Eine entsprechende Regelung lag weder nahe noch hat sie das Ministerium verlangt. Im Vertrag geregelt ist (nur), dass der Bericht erstellt werden muss. Allen Beteiligten war klar, dass es dazu Arbeitsunterlagen braucht, wie etwa Vorentwürfe, Gesprächsnotizen, Protokolle über die Befragung von Auskunftspersonen. Klar war auch, dass die Aufbewahrung der Protokolle der Vertraulichkeit widersprechen würde, von der die Auskunftspersonen ausgehen konnten.

Die Arbeitsunterlagen – Gesprächsprotokolle, Gesprächsnotizen, Vorentwürfe – wurden nach Fertigstellung des Berichts endgültig gelöscht; soweit sie (auch) auf Papier vorhanden waren, unter Beachtung von Sicherheitsvorkehrungen entsorgt.

Mit dem Bericht war die Arbeit der Untersuchungskommission abgeschlossen. Die Untersuchungskommission war insoweit erste und letzte Instanz; es gab und gibt daher auch kein berechtigtes Interesse zu prüfen, ob die Feststellungen im Bericht mit den Aussagen von Auskunftspersonen vereinbar sind.

Die Auskunftspersonen hätten aber jederzeit die Möglichkeit, Feststellungen im Bericht zu widersprechen, wenn ihre Aussage nicht richtig wiedergegeben würde. Bisher – und seit der Veröffentlichung des Berichts ist mehr als ein Jahr vergangen – ist das nicht geschehen. Im Übrigen stützt sich der Bericht in erster Linie auf Urkunden; mit der Befragung von Auskunftspersonen wollte die Kommission einen persönlichen Eindruck gewinnen und ihr Bild abrunden.

Untersuchungskommission – Untersuchungsrichter – Untersuchungsausschuss

Die Untersuchungskommission war auch nicht eine Art Untersuchungsrichter für den parlamentarischen Untersuchungsausschuss; beide haben verschiedene Aufgaben, und die Untersuchungskommission hatte ihre Aufgabe völlig selbstständig und unabhängig zu erfüllen.

Der parlamentarische Untersuchungsausschuss wird die politische Verantwortung klären. Er ist dabei weder an die Ergebnisse der Untersuchungskommission gebunden noch sonst in irgendeiner Weise eingeschränkt. Sämtliche Unterlagen, die die Untersuchungskommission hatte, kann sich auch der Untersuchungsausschuss beschaffen. Sämtliche Auskunftspersonen, die die Untersuchungskommission befragt hat, kann auch der Untersuchungsausschuss vernehmen.

Zwischen der Befragung durch die Untersuchungskommission und der Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss bestehen wesentliche Unterschiede:

Die Untersuchungskommission konnte niemanden zum Erscheinen zu zwingen, für die Befragten bestand keine Wahrheitspflicht. Der Untersuchungsausschuss hat daher wesentlich bessere Voraussetzungen, die Wahrheit zu erfahren; jedenfalls aber keine schlechteren als die Untersuchungskommission.

Zusammenfassend ist festzuhalten:

Mit der Löschung ihrer Arbeitsunterlagen hat die Untersuchungskommission den berechtigten Erwartungen der Auskunftspersonen entsprochen, die andernfalls nicht bereit gewesen wären, sich von der Untersuchungskommission befragen zu lassen oder mit der Vorsitzenden Gespräche zu führen. Dass die Löschung der Befragungsprotokolle und Gesprächsnotizen die Arbeit des Untersuchungsausschusses in irgendeiner Weise behindert hätte oder noch behindert, ist denkunmöglich: Der Untersuchungsausschuss kann sämtliche Personen vernehmen und das noch dazu unter Wahrheitspflicht. Im Übrigen steht es den Auskunftspersonen frei, die ihnen zur Korrektur übermittelten Protokolle dem Untersuchungsausschuss zur Verfügung zu stellen.

 

Irmgard Griss, Juristin

Hon.-Prof. Dr. Irmgard Griss, LL.M., war Richterin, von 2007 bis zu Ihrer Pensionierung Ende 2011 Präsidentin des Obersten Gerichtshofs (OGH); 2010/2011 Präsidentin des Netzwerks der Höchstgerichtspräsidenten der Europäischen Union.

 

Zum Thema passend Carl Baudenbacher, Mitglied der Hypo-Untersuchungskommission:

Nächste Veranstaltung

Ich möchte zur Veranstaltungsreihe der Weis[s]e Salon eingeladen werden