Regulierungsbehörden – tätig in wessen Sinne?

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Aufgrund europäischer Bestrebungen wurden in den letzten beiden Jahrzehnten zahlreiche „klassische“ Infrastrukturindustrien wie Telekommunikation, Energie, Eisenbahn oder Post „geöffnet“. In diesem Zusammenhang wurden auch zahlreiche Regulierungsbehörden geschaffen, die zumindest in Teilbereichen (meist der sog. „Dienste-Ebene“ auf Basis der Netzwerkinfrastrukur) für geregelten Wettbewerb in den monopol- bzw. oligopolgeprägten Branchen sorgen sollen.

Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass damit vielfach neue Geschäftsfelder entstanden sind (und zwar nicht nur bei den Behörden sowie den Anwälten und Lobbyisten der betroffenen Anbieter aufgrund der Komplexität der Regeln; siehe als Beispiel nur den aktuellen Strommarkt): So gibt es trotz einheitlichen Netzes nun zahlreiche Strom- und Gasanbieter; zahlreiche Festnetztelefonanbieter sind zwischenzeitig schon wieder verschwunden, während das Konzept des virtuellen Mobilfunkanbieters auf fremdem Netz erst kürzlich über den Einstieg eines Lebensmitteldiskonters populärer geworden ist.

„Liberalisierung“ – Vorteil für die Kunden?

Dennoch kann sich schon der denkbare Vorteil für die Kunden in sehr engen Grenzen halten. Schließlich kann sich ein Energieanbieter im Wesentlichen nur durch besonders günstigen Einkauf oder das Versprechen besonders umweltfreundlicher Energie und über gute bzw. kostenoptimierte Kundenbetreuung von der Konkurrenz abheben. Wenn aber die Netznutzung samt umverteilenden Abgaben (wie umfassende staatliche Förderung „grüner Energie“) die Hälfte der Kosten ausmacht und auch bei der anderen Hälfte der „Rohstoffwert“ des Energieträgers signifikant überwiegt, so ist schon das theoretisch denkbare Einsparungspotential sehr überschaubar bzw. betrifft vorwiegend die Endkundenbetreuung. „Fortschrittlichere“ Staaten wie das Vereinigte Königreich haben darüber hinaus bereits die Erfahrung gemacht, dass entstaatlichte und in weiterer Folge unter privaten Eigentümern vernachlässigte Infrastruktur wie beim Beispiel Schiene später ein zweites Mal vom Steuerzahler finanziert werden musste. Immerhin geht auch Österreich mit der „Breitband-Milliarde“ einen signifikanten Schritt in Richtung staatlicher Finanzierung privater Telekom-Netze.

Industry-mindedness?

Hierzulande gibt es im Bereich der Telekommunikationsregulierung auf dem schon in den 1990er Jahren geöffneten Markt die meiste Erfahrung. Leider entpuppen sich auch hier viele Entscheidungen des an sich unabhängigen Regulators eher als industriepolitisch im Sinne „seiner“ Branche motiviert, anstatt die nach §1 Telekommunikationsgesetz zu wahrenden Interessen der Kunden und der Volkswirtschaft zu berücksichtigen. So wird ohne schlüssigen Grund der Mobilfunk mit schon frequenztechnisch bedingt äußerst eingeschränktem Anbieterkreis gegenüber der Festnetzkommunikation bevorzugt. Selbst die signifikanten Tariferhöhungen der letzten Jahre ohne schlüssigen Grund wurden weder im Rahmen der gesetzlichen Prüfung von Geschäftsbedingungen, noch aufgrund ihrer Einseitigkeit, noch aufgrund kartellrechtlicher Bedenken eingeschränkt.

Während die Großhandelspreise stetig sinken, steigen die Endkundenpreise in letzter Zeit regelmäßig, siehe die Grafiken zur  Entwicklung von Großhandelspreisen und Endkundentarifen beim Telefonieren. Der Verbraucherpreisindex (VPI) weist bei Mobilfunkdiensten zwischen 2013 und 2014 eine Steigerung um rund 20% aus.(Anm.: Eine vernünftige Übersicht zu Gesprächen vom Mobiltelefon aus ist angesichts der Tarifvielfalt kaum möglich. Kurzfristige Detailübersichten sind über den RTR Telekom Monitor hier verfügbar).

Dennoch springt der unabhängige Regulator regelmäßig in die Bresche, um „seine“ Branche ebenso wie die bloß passive behördliche Beobachtung zu verteidigen. Bedenkliche Marktmacht wird regulierungsbehördlich tendenziell nur in dem mit unter 15% Gesprächsanteil praktisch schon bedeutungslosen Festnetz festgestellt. Real stockt der Infrastrukturausbau eher wegen intensiver Regulierung, die die Anreize zu Eigeninvestitionen mindert. Immerhin untersucht mittlerweile die Bundeswettbewerbsbehörde den Kartellverdacht der Branche und verspricht ein Ergebnis bis Sommer 2015.

Mangelnde Verantwortlichkeit der Regulatoren

Nachdem Regulierungsbehörden nicht nur wettbewerbsregulierende, sondern in der Realität signifikante wirtschafts- und konsumentenschutzpolitische Funktionen erfüllen, macht sich auch deren Entkoppelung von der klassischen Ministerialbürokratie langsam bemerkbar. Während die Verfassung einem Bundesminister neben der Bindung der Verwaltung an die Gesetze ein umfassendes Korsett an rechtlicher wie politischer Verantwortung umbindet, sehen sich die tendenziell flexibler und vom Gesetzeswortlaut losgelöster agierenden Regulierungsbehörden nur sehr eingeschränkten Aufsichtsrechten gegenüber: Im Wesentlichen findet die Verantwortlichkeit der Regulatoren ihre Grenze bei einer Ausschußbefragung im Parlament (Art. 52 Abs. 1a B-VG), während der Verwaltungsgerichtshof die Gesetzesbindung bei Regulatoren vielfach milde beurteilt.

Philipp Lust, Jurist
www.lust.wien/recht

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