Wake-up call zur Budgetkonsolidierung

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Konsequenzen der aktuellen budgetären Situation

Die budgetäre Lage hat sich nicht nur in den Prognosen (Fiskalrat, WIFO) dramatisch verschlechtert, auch die Europäische Kommission hat in ihrer Herbstprognose 2024 eine Budgetentwicklung prognostiziert, die ohne wirtschaftspolitische Reaktion der Bundesregierung ein Verfahren wegen eines übermäßigen Defizits zur Folge haben wird.

Konkret wird die Europäische Kommission (EK) in einem Bericht gem. 126 (3) AEUV feststellen, dass Österreich sowohl mit den für 2024 als auch für 2025 geplanten (d.h. von der EK prognostizierten) Defizitquoten den Referenzwert von 3% überschreitet (update: Veröffentlichung diese Berichts am 26.11.2024 hier). Das ist der erste Schritt, aber noch (!) nicht das Verfahren wegen eines übermäßigen Defizits (üD) selbst: Erst nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses wird die EK eine an den Rat gerichtete Empfehlung für die Einleitung eines üD-Verfahrens gem. 126 (4) AEUV aussprechen. Ob der Rat tatsächlich ein üD-Verfahren 126 (6) AEUV beschließt (längstens 4 Monate nach der EK-Empfehlung, vermutlich Mitte Jänner 2025 (update: 21. Jänner 2025)), hängt einerseits von der Stellungnahme der Bundesregierung, vielmehr aber von einer belegbar geplanten Umsetzung (NR-Beschlüsse!) entsprechender Konsolidierungsmaßnahmen ab (update: Textstelle des 126 (3) AEUV Berichts). Es liegt somit am politischen Willen der potenziellen Koalitionspartner, ein üD-Verfahren zu vermeiden.

Wie lässt sich ein üD-Verfahren vermeiden?

Wenn es politisches Ziel sein sollte, ein üD-Verfahren zu vermeiden (in diesem Sinne Bundesminister Gunter Mayr), dann muss das öffentliche Defizit bereits 2025 auf unter 3% des BIP gebracht werden (in der Einschätzung der EK).

Der Konsolidierungsbedarf für 2025 ergibt sich aus den „no-policy-change“-Prognosen für die Defizitquote (Fiskalrat 4,1%, WIFO 4,0%, EK 3,7%). Er beträgt also je nach Prognose ~5,6 Mrd. EUR, ~5,1 Mrd. EUR oder ~3,0 Mrd. EUR. Unter Berücksichtigung der Prognoseunsicherheiten, aber auch in Hinblick auf den noch zu erstellenden mittelfristigen Fiskalstrukturplan, sollte zumindest ein Volumen von ~5 Mrd. EUR angestrebt werden.

Konsolidierungsmaßnahmen – welche Kriterien?

Die Schwierigkeit der Konsolidierung besteht darin, Maßnahmen zu finden, die:

  • legistisch einfach und schnell (Dezember 2024; update: Mitte Jänner 2025) umgesetzt werden können
  • wirtschaftswissenschaftlich betrachtet (evidenzbasierte Politik) als möglichst „wachstumsfreundlich“ gelten und die Steuerstruktur verbessern
  • sowie relativ sicher prognostizierbar das geplante Volumen generieren. 

Aus erstem Punkt folgt, dass wenige „große“ Maßnahmen einer Fülle kleiner Beträge vorzuziehen wären.

Dem zweiten Punkt entsprechen Maßnahmen, die einen möglichst geringen Multiplikator (d.h. die Wirkung der fiskalischen Maßnahme auf das Wirtschaftswachstum) aufweisen: Tendenziell ist der Steuermultiplikator kleiner als der Ausgabenmultiplikator. Vermögensbezogene Steuern weisen ebenso niedrige Multiplikatoren aus wie „unspezifische Transfers“. Bezüglich der Steuerstruktur sollten Konsumsteuern gegenüber Faktorsteuern (Arbeit, Kapital) stärker gewichtet werden (umfangreiche theoretische & empirische Evidenz, etwa hier).

Würde die Politik evidenzbasiert anhand obiger Kriterien vorgehen, könnten legistisch kurzfristig zumindest folgende drei Maßnahmen beschlossen werden:

  • Streichung des Klimabonus ~2 Mrd. EUR
  • Erhöhung aller MwSt-Sätze um 1 %pkt ~2,1 Mrd. EUR
  • Verdoppelung der Grundsteuer ~0,8 Mrd. EUR 

Der Klimabonus (als „unspezifischer Transfer“) folgt einer politischen, nicht ökonomischen Logik: Sollte der Konsum durch eine CO2-Bepreisung verteuert und folglich reduziert werden, entspräche die Streichung, und nicht die Beibehaltung (schon gar nicht eine Überkompensation, wie tatsächlich erfolgt) einem klimapolitischen Anliegen. Ökonomisch betrachtet stellt der Klimabonus eine Subvention klimaschädlichen Verhaltens dar. 

Die „Wachstumsfreundlichkeit“ einer Erhöhung von MwSt-Sätzen wurde in der SPÖ/ÖVP-Steuerreformgruppe 2014 („Indirekte Steuern sind generell weniger wachstumsschädlich als direkte Steuern“  S. 167) bereits anerkannt und folgt auch den generellen Empfehlungen von OECD und EK. Grundsätzlich sollte aus verteilungspolitischen Gründen eine Erhöhung von Konsumsteuern mit sozialpolitischen Maßnahmen begleitet werden. Aktuell könnte diese Maßnahme entfallen: Selbst bei vollständiger Überwälzung der MwSt-Erhöhung in die Preise (entspräche Inflationsanstieg um ~0,85 %pkte) und basierend auf der aktuellen WIFO-Prognose von 2,2% bliebe die Inflationsrate 2025 mit ~3% deutlich unter der Valorisierung der Sozialleistungen für 2025 um 4,6%. Aus mehreren Gründen ist nicht von einer vollständigen Überwälzung auszugehen. 

Die Erhöhung der Grundsteuer kommt unmittelbar den Gemeinden zugute – ob der Bund diesen ungeplanten Einnahmenzufluss abschöpft, ist eine politische Frage, die den Maastricht-Saldo nicht beeinflusst.

Schaffen ÖVP-SPÖ-NEOS den Sprung über die (rote) Linie?

Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht stellen die drei Maßnahmen anhand der Kriterien Zeitfaktor / Wachstumsfreundlichkeit einen (optimalen) Einnahmen/Ausgabenmix dar. Er dient als Benchmark für Diskussionen: Vorschläge für ein alternatives Maßnahmenpaket sind willkommen, müssten allerdings darlegen, dass es (i) legistisch genauso rasch umzusetzen wäre, (ii) einen noch niedrigeren Multiplikator (Konjunktur) aufweist und (iii) in Summe den Budgetsaldo um ~5 Mrd. EUR gut prognostizierbar verbessern würde.

Der Zeitfaktor bedingt, dass diese Maßnahmen unter Umständen noch vor Abschluss eines vollständigen Regierungsübereinkommens beschlossen werden müssen.

Dieses kann nur auf Basis eines ebenfalls noch auszuhandelnden mittelfristigen Fiskalstrukturplans (mFSP) erfolgen, der bis 2028 weitere jährliche Konsolidierungserfordernisse von (zumindest) 4 Mrd. EUR vorsehen wird müssen. Aspekte zum mFSP werden in einem eigenen Beitrag beleuchtet. 

Peter Brandner, Die Weis[s]e Wirtschaft