Eiko Meister zur Ärzteausbildung Neu (Wiener Zeitung)

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Österreichs Gesundheitspolitik verabsäumt wieder einmal die epochale Chance, junge Ärzte auf ihren Beruf schnell und praxisrelevant vorzubereiten.

Eine praxisnähere Ausbildung für die jungen Ärzte – um dieses Ziel haben die Vertreter der Ärzteschaft, die Fachgesellschaften und das zuständige Bundesministerium seit Jahren gerungen. Nun ist die aktuelle Ärztegesetznovelle Ende Juli in Begutachtung gegangen. Mit einer Reform der Ärzteausbildung als zentralem Inhalt.

Angelpunkt der neuen Ausbildung ist die Lehrpraxis. Junge Ärztinnen und Ärzte werden hier bei erfahrenen Allgemeinmedizinern in deren Ordination ausgebildet. In anderen Ländern – je nördlicher desto üblicher – durchwegs erfolgreich geübte Praxis. Diese auch in Österreich verpflichtend umzusetzen, war in der Reform einer der größten und schwierigsten Meilensteine.

Von der Ärztekammer und mit Unterstützung durch die zugehörige Fachgesellschaft wurden mindestens zwölf Monate Dauer gefordert. Gerade einmal sechs Monate sind im zur Begutachtung ausgesandten Entwurf übrig geblieben. Diese sechs Monate praktische Ausbildung sollen verpflichtend stattfinden. Das ist die gute Nachricht.

Ein Wermutstropfen dabei ist die Regelung, dass diese Zeit bloß „überwiegend“ in der Lehrpraxis zu absolvieren ist, vorfinanziert durch den Lehrpraxisinhaber. Die fehlende Zeit soll wie bisher in Ambulanzen verbracht werden, damit aus „überwiegend“ sechs Monate werden.

Und die schlechte Nachricht ist, dass sich die geforderten zwölf Monate Ausbildungsdauer in der Lehrpraxis in einer Übergangsbestimmung finden, die die Ausweitung der Ausbildungszeit über mindestens sieben Jahre vorsieht. Dann ist eine verpflichtende Ausbildungszeit von neun Monaten in der Lehrpraxis vorgesehen und erst in weiteren fünf Jahren die schon jetzt geforderte Ausbildungsdauer von einem Jahr.

Das ist der Hauptkritikpunkt am Entwurf zur neuen Ärzteausbildung. Die jungen Ärzte verlassen Österreich nicht nur deswegen, weil das Gehaltsniveau zu niedrig ist, sondern auch weil die Ausbildung nicht ausreichend praxisrelevant ist.

Mit einer Übergangsfrist von zwölf Jahren zu der ursprünglich geforderten Ausbildungszeit von einem Jahr in der Lehrpraxis zu gelangen, stellt alles andere als Weitsichtigkeit in der Planung der Ärzteausbildung dar.

Vielmehr ist diese endlos lange Übergangsfrist auch ein Ausdruck dessen, was seitens der Experten schon seit Jahren kritisiert wird: die völlig unzureichende Finanzierung der Lehrpraxis. Hochrechnungen etwa der österreichischen Ärztekammer haben ergeben, dass die Lehrpraxis für alle österreichischen Turnusärzte rund 15 Millionen Euro pro Jahr in der Vollfinanzierung erfordert. In Relation zu anderen Ausgaben, die im Budget vorgesehen werden – Stichwort Hypo Alptraum Adria -, handelt es sich hierbei um geradezu läppische Beträge.

Die österreichische Gesundheitspolitik verabsäumt wieder einmal die epochale Chance, junge Ärztekolleginnen und -kollegen schnell und praxisrelevant auf ihren Beruf vorzubereiten. Denn die Übergangsfrist von zwölf Jahren bedeutet, dass drei Generationen von jungen Ärzten nicht in diesem Maß in einer Lehrpraxis ausgebildet werden können, wie das im europäischen Umfeld längst Standard ist.

Einer der reichsten Staaten Europas sollte sich das in Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen aber leisten können!

(Wiener Zeitung, 6.8.2014)

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