Was ist denn das Ziel des Endspieles? Eine endlose Materialschlacht, die Hoffnung auf einen falschen Zug des Gegners oder so manche Bauernopfer?
Letztere könnten die Bundesländer sein, die jetzt schon mit ihren Hypos unter der Situation leiden und einen Aufstand proben. Deren Kalkulation ist einfach: zu den Verlusten aus der HETA Asset Resolution AG kostet sie das Desaster jährlich 300 Mio. Euro mehr an Finanzierungskosten, weil sie wegen der vorgesehenen Maßnahmen ihre Kreditwürdigkeit wenn schon nicht endgültig verspielen, so doch erheblich verschlechtern. Außerdem ist im VfGH-Erkenntnis (ab S.116; Randziffer 301 auf S.138) interessant zu lesen, dass auch der Bund höhere Refinanzierungskosten erwartet, wenn Kärnten zahlungsunfähig wird – und ein Schnitt der Haftungen wäre für die Gläubiger ja nichts anderes als das Eingeständnis der Zahlungsunfähigkeit.
Würde der Finanzminister dann noch die anderen Kollateralschäden zusammenrechnen, die im Bankensektor und bei anderen österreichischen Emittenten anfallen, würde er sehr bald zum Ergebnis kommen müssen, dass die fehlenden Milliarden für eine zwar aus seiner Sicht zu großzügige, aber für die Gläubiger faire Lösung gut investiert wären. Dazu müsste er aber über seinen Schatten springen und die Aussage relativieren, dass kein Steuereuro mehr nach Kärnten in die HETA geschickt wird – die zusätzlichen Euros, die auf Umwegen in anderen Taschen landen, sollten ihm dabei helfen.
Dazu kommt noch, dass den Gläubigern schwer zu erklären ist, dass Österreich Strategien wählt, wie sie sonst nur von notorischen Umschuldungsländern bekannt sind. Kärnten wird oft als das „Griechenland“ Österreichs bezeichnet, Vergleiche mit Argentinien werden bemüht. Österreich als eines der reichsten europäischen Länder – gemessen am BIP/Kopf – tut sich schwer, glaubwürdig einen Schuldenschnitt zu verlangen. Und das Spiel Bund – Land kommt auch nicht gut an, da die Länder keine nennenswerte Steuerautonomie haben. Sie sind auf Anteile aus dem allgemeinen Steuertopf im Rahmen des Finanzausgleichs angewiesen.
Ist eine Trennung der Bonität der Länder vom Bund möglich?
Eine Trennung der Bonität der Länder vom Bund ist daher nicht möglich. Sie wurde bis vor der Hypo Alpe Adria Krise auch von den Ratingagenturen nicht vorgenommen. Aber nicht nur diese, auch die Finanzmarktaufsicht (FMA) sah das genauso. Sie meldete nämlich nach Art 115 Abs 2 CRR der European Banking Authority (EBA) alle Bundesländer als jene regionalen Gebietskörperschaften, die ihrer Meinung nach ein Risikogewicht von Null wie der Zentralstaat verdienten. Die erste Liste wurde im Juli 2014 veröffentlicht, als das HETA-Problem schon virulent war. Dennoch blieb die FMA bei dieser Einstufung, für deren Zutreffen Art 115 CRR voraussetzt, dass kein Unterschied zwischen den Risiken aufgrund der speziellen Steuererhebungsbefugnisse dieser Gebietskörperschaften und aufgrund der besonderen institutionellen Vorkehrungen besteht.
Natürlich fragt man sich, wodurch die Gleichwertigkeit des Adressrisikos der Bundesländer mit dem der Republik Österreich (Bund) begründet wird. Spezielle Steuererhebungsbefugnisse von Ländern oder Gemeinden sind sehr dürftig ausgeprägt, und die besonderen institutionellen Vorkehrungen zur Verringerung des Ausfallrisikos hat es entweder nie gegeben oder sie funktionieren nicht.
Kollateralschaden Refinanzierungskosten von 9 Bundesländer und über 2.300 Städte & Gemeinden?
Es ist schwer vorstellbar, dass die FMA diese Liste im Alleingang zur EBA geschickt hat, immerhin ist sie – trotz aller Unabhängigkeit – eine Bundesbehörde, die stark vom Finanzministerium kontrolliert wird. Sie hat aber nicht nur alle Bundesländer, sondern auch über 2.300 Städte und Gemeinden gemeldet, die ebenfalls risikomäßig mit dem Zentralstaat gleichwertig sein sollen. Ein Blick in die aktuelle Liste vom Juni 2015 ist sehr aufschlussreich, vielleicht finden Sie auch Ihre Heimatstadt/gemeinde angeführt und können Ihrem Bürgermeister die Sorgen beim Schuldenmachen nehmen. Andere Länder waren bei den Meldungen für diese Liste nicht so großzügig wie Österreich.
Österreich hat damit den Eindruck vermittelt, dass auch die Länder über jeden Zweifel erhabene Schuldner seien und sich über die dadurch erzielbaren niedrigen Finanzierungskosten gefreut. „Mündelsicher“ waren die landesgarantierten Papiere obendrein. Es wird spannend sein zu sehen, wie sich die Entscheidungsträger verhalten werden, wenn jetzt dieser Anspruch eingefordert wird. Die ganze Schuld nur in Kärnten zu sehen, hat schon die Griss-Kommission als zu einfach dargestellt. Nicht erst bei der Verstaatlichung zeigte sich das unprofessionelle Vorgehen. Organe und Behörden des Bundes waren schon Jahre vorher über Vorkommisse bei der Hypo Alpe Adria alarmiert und gewarnt, schritten aber dennoch kaum ein. Und jetzt die Schuld ganz allein den Kärntnern zuzuschieben scheint eine zu einfache Problembewältigung. Auch aus diesem Grund täte der Bund gut daran, zu einer vernünftigen Lösung auch finanziell beizusteuern.
Was wäre eine vernünftige Lösung im Endspiel?
Das Eingeständnis, dass das Spiel mit brute force nicht zu gewinnen ist, zumindest ein Remis auszurufen und sich vom Schachtisch an den Verhandlungstisch zu setzen. Aber vielleicht wird ja gar nicht Schach gespielt, sondern nur hoch gepokert.
Tibor Fabian, Rechtsanwalt
Dr. Tibor Fabian ist Partner der Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH, die im HETA-Komplex gemeinsam mit einer internationalen Großkanzlei eine Gruppe von nicht nachrangigen Gläubigern vertritt. Dieser Beitrag stellt seine persönliche Meinung dar und stützt sich ausschließlich auf öffentlich zugängliche Quellen.