Gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen – Wo sind die Grenzen?

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Vielfältig sind die Ansprüche der Öffentlichkeit an Unternehmen. Sind sie auch alle berechtigt? Und wie gehen Manager damit um? Ein hochkarätiges Podium diskutierte darüber am Dienstag beim 20. Compliance Netzwerktreffen in den Räumlichkeiten der Kommunalkredit in Wien. 

Die Veranstaltung von LexisNexis, INARA und Die Weis[s]e Wirtschaft stieß auf großes Interesse.

Kooperation LexisNexis-INARA-WW

In seiner Begrüßung der rund 100 Gäste skizzierte Alberto Sanz, Geschäftsführer von LexisNexis Österreich, den Ausgangspunkt der Diskussion: Das, was sich Unternehmen an Prinzipien für die gute Unternehmensführung selbst seit jeher auferlegen, trägt nun die Gesellschaft immer stärker von außen an sie heran, auch in Form von Gesetzen. Die Regelungen zu Umweltschutz, Diversität, sozialen Standards und Nachhaltigkeit werden strikter. Wer dagegen verstößt, hat mit Strafen zu rechnen.

Was bedeutet das? Wie kann man damit leben, wie kann man es „überleben“, fragte Moderatorin Dr. Brigitta Schwarzer (geschäftsführende Gesellschafterin INARA GmbH) das Podium –  Mag. Klaus Putzer berichtet:

Compliance & Haftung

„Die Diskussion findet nicht im luftleeren Raum statt“, verwies Peter Brandner, Sprecher von Die Weis[s]e Wirtschaft, auf eine kritische Medienöffentlichkeit, die Sachverhalte gerne sehr populistisch statt sachorientiert bewertet. Damit ist auch die Fallhöhe für Verantwortliche groß.

Für Patrick F. Prügger, Geschäftsführer der B&C Industrieholding GmBH, ist es unstrittig, dass das regulatorische Umfeld komplexer geworden ist. „Wenn dies alle Marktteilnehmer in gleichem Maß treffen würde, dann wäre das kein Problem“, sagte er. „Zum Problem wird es durch die international zu beobachtenden Asymmetrien in der Regelbefolgung.“ Die Einführung der Business Judgement Rule ins österreichische Recht sieht er ambivalent. Hierzulande würde die Rule nicht wie im internationalen Kontext als Instrument zum Schutz der Organe verstanden, sondern vorrangig als Risiko. „Vorständen muss man raten, sich auf Gespräche mit dem Strafrichter vorzubereiten, indem sie ex ante die Grundlagen für ihre Entscheidungen genau dokumentieren“, so Prügger. Die Zeiten, wo Spitzenmanager aus dem Bauch heraus weitreichende Entscheidungen treffen, seien jedenfalls vorbei.

Nachhaltigkeit & Profite

Klar wurde im Gespräch, dass „Nachhaltigkeit“ ein Schlüsselwort zum Verständnis von unternehmerischer Verantwortung ist. Dabei steht Nachhaltigkeit von seiner ursprünglichen, forstwirtschaftlichen Bedeutung her nicht im Widerspruch zu Profitstreben, wie Herr Brandner anmerkte. Im Gegenteil: Man erkannte irgendwann, dass nur die „nachhaltige“ Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen langfristig Profite ermöglichen würde.

Im VERBUND beschäftigt man sich mit Nachhaltigkeit schon seit Langem – noch bevor man von „Compliance“ sprach. Entsprechend ernst nimmt man das Thema: Der VERBUND will in den kommenden Jahren zu 100 Prozent CO2 -neutral produzieren. Und das nicht uneigennützig, wie Karl Stadler, Chief Compliance Officer der VERBUND AG, unterstrich: „Deutsche Kunden sind schon bereit, für grünen Strom einen höheren Preis zu zahlen – in Österreich sind die Konsumenten leider noch nicht so weit.“

Peter Brandner warnte aber vor einem Überehrgeiz der Politik im Übertragen von Nachhaltigkeitszielen auf die Wirtschaft. Aus systemischer Perspektive drohe durch die Vervielfachung der Ziele die Entstehung von Zielkonflikten, so Brandner, und nannte ein Beispiel: Ein Nachhaltigkeitsziel sei es, Lebensmittel möglichst ressourcenschonend herzustellen. Ein anderes laute, möglichst regional zu produzieren, um Transportwege zu verkürzen. „Das zweite Ziel steht aber mit dem ersten im Widerspruch. Regionale, kleinteilige Produktion wird immer weniger effizient und damit ressourcenintensiver sein als industrielle Produktion.“ Eine zweite Gefahr der Überregulierung: regulatorische Hürden bevorzugen große Marktteilnehmer gegenüber kleineren Playern, weil letztere die Hürden gar nicht mehr nehmen können und damit vom Markt ausgeschlossen bleiben.

Bei der Hödlmayr International AG, einem Logistikunternehmen in Familienbesitz, das auf Fahrzeugtransporte spezialisiert ist, hat Nachhaltigkeit auch eine über den ökologischen Aspekt hinausgehende Bedeutung: „Wir müssen Abläufe transparenter machen, um den Fortbestand in der nächsten Generation zu ermöglichen“, sagte Aufsichtsratsvorsitzende Christine Hödlmayr-Gammer. An erster Stelle komme das System Familie, dann das System Unternehmen. „Als Eigentümer kümmern wir uns aber nicht nur um die Arbeitnehmer, sondern auch um die Familien der Arbeitnehmer“, verwies Hödlmayr-Gammer auf die soziale Verantwortung von Unternehmen.

Wohlverhalten & Kapitalmarkt

Abschließend stand die Frage: Kann sich Wohlverhalten denn tatsächlich auch am Kapitalmarkt positiv auswirken? Ja, natürlich, so Herr Stadler. Bestes Beispiel sei der „Green Bond“ des VERBUND. Die grüne Anleihe sei bei internationalen Investoren auf großes Interesse gestoßen. Bei den Konditionen konnten Vorteile erreicht und es konnten neue Anleger gefunden werden. Eine Win-Win-Situation.

Auch Patrick Prügger bejaht die eingangs gestellte Frage und veranschaulicht seinen Standpunkt am Fall Volkswagen. Technologisch wäre es dem Weltkonzern leicht möglich gewesen, die Abgasvorschriften zu erfüllen. Die Kosten hätten bei 400 Euro pro Fahrzeug gelegen, das wären Gesamtkosten von unter 1 Mrd. Euro gewesen. Das ist gerade einmal ein Bruchteil des Schadens, den „Dieselgate“ für Volkswagen bisher angerichtet hat und noch anrichten wird. Und wie kam es dazu? „Jeder in der Branche wusste, dass die Zielvorgaben unrealistisch waren. In einem Umfeld mit entwickelter Compliance-Kultur wäre ein solches Vorgehen von Vorstand und Aufsichtsrat nicht möglich gewesen“, zeigte sich Prügger überzeugt.

Auf die Podiumsdiskussion folgte noch ein reger Austausch mit dem Publikum, bevor die Veranstaltung in den informellen Teil überging.

Mag. Klaus Putzer, Redakteur – Recht & Compliance, LexisNexis

Fotogalerie (© Daniel Hinterramskogler)