Gesundheitswesen: Individualität bis zur Gefährdung des Kollektivs?

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Die aktuelle Debatte um die Schutzimpfungen – ausgelöst durch eine Masernepidemie in Deutschland – führt wieder zu den bekannten Grabenpositionen der Impfgegner und –befürworter.

Es wird argumentiert, dass die sogenannte Epidemie keine gewesen sei: Die Erkrankungsfälle seien geringer gewesen als zuletzt. Allerdings: die Rate der stationär zu behandelnden Kinder und Komplikationen war so hoch wie nie.

Sämtliche Staaten der Welt versuchen, vermeidbare Erkrankungen in Programmen abzubilden. Für gefährliche (Virus-)Erkrankungen sind Impfungen als Maßnahme gegen deren Verbreitung etabliert.

Das Prinzip der Vakzination ist gute 250 Jahre alt. Es ist Experimenten mit Kuhpocken in England zu verdanken, wobei die gezielte Infektion mit Erregern aus einer Kuhpockenpustel in der Haut des gesunden Menschen Immunität gegen Pocken auslöst. Immerhin so erfolgreich, dass die Pocken in den 1980er Jahren als ausgerottet betrachtet wurden.

In den dreißiger und vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts waren die Impfungen vordergründig die Entwicklungen in der Medizin, die deutlich zur Verbesserung der Situation der Bevölkerung und deren Lebenserwartung beigetragen haben. Polio, Diphterie, Pocken, Mumps, und einige weitere sind als Erkrankungen durch die Schutzimpfungen faktisch unbekannt.

Allerdings zeigt sich in den letzten Jahren, dass Impfgegner die Diskussion in ihrem Sinn beherrschen und sich die Präventionsfreudigkeit wendet – und Masern wieder epidemisch werden. Kritisch wird angemerkt, dass Impfungen auch mit Risiken verbunden sind und eine Impfpflicht die Fälle unerwünschter Wirkungen oder Impfzwischenfälle dramatisch erhöhen würde.

Dem gegenüber wird aber seitens der Gesundheitsinstitutionen auch ein deutlicher finanzieller Vorteil bei Anwendung einer Schutzimpfung beschieden.

Die gängigen empfohlen Schutzimpfungen zielen auf Infektionen ab, die einer direkten (kausalen) Therapie kaum zugänglich sind. Überwiegend sind dies Viruserkrankungen. Für keine einzige Impfung aus dem österreichischen Impfplan gibt es eine Verpflichtung. Dennoch sind die aufgeführten Impfungen ein wesentlicher Bestandteil der Gesundheitsversorgung, um das Kollektiv vor Infektion zu schützen. Das gilt vor allem für Erkrankungen mit hoher Infektiosität, wie Grippe, Masern, Mumps oder Röteln. Auch ist in unseren Breiten eine Impfung gegen FSME („Zecken“) absolut zu empfehlen.

Gegner nationaler Schutzprogramme sehen diese als Bevormundung in der eigenen Willensbildung als mündiger Bürger. Heruntergebrochen auf verschiedene Bereiche des Lebens bedeutet das: Mit 130 km/h in der Stadt fahren können, mit Fahrrädern auf Eisenbahnschienen unterwegs sein oder in Staukraftwerken tauchen gehen.

Stellen Sie sie bitte vor, wir hätten Ebola in Österreich. Sagen wir in Wien. Vielleicht im 2. Bezirk. Und zwar einen Typ, wie er seit Anfang des Jahres in Sierra Leone wütet. Hohe Infektiosität und eine Sterblichkeit von 50% zeichnen das Virus aus. Einzige Sofortmaßnahme: Trennen von Gesunden und Kranken. Von denen stirbt die Hälfte und ist hoch infektiös. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich in dieser Situation in einer Millionenstadt jemand findet, der der Meinung ist, man dürfe Menschen am Lebensende nicht von ihren Familien trennen, ist nicht gering.  Nur für das Kollektiv ist das ein tödliches Vorgehen. Und lässt sich bei jeder Seuche nachspielen.

Das Problem haben wir nicht? Googeln Sie einmal „Marburg“ + „Virus“. Als filmische Untermalung sei Ihnen „Outbreak“ ans Herz gelegt.

Die Diskussion des Schutzes der Bevölkerung vor sich selbst ist vor allem in Fragen der Hygiene und des Gesundheitsschutzes elementar. Und es sollte doch das Ziel einer intelligenten Gesellschaft sein, sich ihre Gesundheit zu erhalten, auch wenn der Individualismus vielleicht etwas zu kurz kommt. Und die Impfung gegen hochinfektiöse Erkrankungen ist ein wirkungsvoller Beitrag dazu. Wenn es sein muss – verpflichtend.

Eiko Meister, Die Weis[s]e Wirtschaft

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