Macht es einfach!

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Zeitungen sind verlässlich. Zeitungs-Apps sind verhaltensauffällig. 

Kennen Sie Apps? Natürlich, Sie haben ein Smartphone, eventuell auch ein Tablet.

Kennen Sie Zeitungs-Apps? Zeitung-Apps (gilt auch für Zeitschriften und Magazine) sind die digitale Übersetzungen ihrer gedruckten Ahnen.

Also die Kinder, von denen die Ahnen behaupten, dass sie sich wunderbar entwickeln, mit denen sich aber kein Geld verdienen ließe. Zumindest nicht viel. Jedenfalls nicht genug.

Zeitungen (die gedruckten auf Papier) gibt es einige hundert Jahre. Sie funktionieren alle sehr ähnlich. Sie können nicht viel besser werden, als sie es jetzt sind. Sie sind in Ihrem System wahrscheinlich perfekt. In jeder Hinsicht.

Man erwirbt sie im Zeitschriftenhandel oder man hat sie abonniert und bekommt sie per Post ziemlich verlässlich zugestellt. Man schlägt sie mit der linken Hand auf und liest sie. Es gibt zwar unterschiedliche Formate, aber nicht sehr viele. Es gibt Bilder und nahe der Bilder Bildtexte. Groß geschriebene, kurze Texte sind zumeist Titel, klein geschriebene Lauftexte. Zur Orientierung gibt es Absätze und Zwischentitel. Autorennamen findet man (falls man sie findet) am Anfang oder am Ende eines Artikels.

Le Monde Diplomatique unterscheidet sich kaum von den Niederösterreichischen Nachrichten, Bild nur wenig von der Zeit. Gut, bei einen Blatt sind die Sätze und Texte länger, beim anderen gibt es mehr Bilder. Aber im Prinzip kein Unterschied.

Bei Zeitungs-Apps ist das anders. Die Technik bietet hier viel mehr Möglichkeiten. Die einen reizen sie aus, die anderen gar nicht. Diejenigen, die sie ausreizen, tun das sehr unterschiedlich. Deswegen enthalten Zeitungs-Apps oft auch Betriebsanleitungen.

Die Unterschiede beginnen bereits bei den Vertriebsmodellen. Einige Medien kauft man im „Store“ von Apple oder Android, andere anders. Wenn man sie gekauft hat, muss man sie herunterladen. Auch das geht überall anders. Einige kann man schon zu lesen beginnen, während man sie herunterlädt, bei anderen wartet man.

Es gibt Inhaltsverzeichnisse, Such- und Kommentierfunktionen, Bildergalerien, Sudoku-Rätsel speziell für den Touchscreen, Videos … viele tolle Möglichkeiten, die den gedruckten Zeitungen fehlen. Es gibt Rankings der tollsten Zeitungs-Apps.

Es gibt Chaos. Weil jede Zeitungs-App anders funktioniert, braucht man für jede eine Einschulung. Ich weiß das, ich verwende weit über hundert, zwei Dutzend habe ich abonniert.

Eine kehrt immer zur Startseite zurück, wenn man man auf eine andere App wechselt (ärgerlich). Andere tun das nicht – es geht also auch anders. Einige haben einen Lesemodus, einige nicht. Manche schauen ihrer gedruckten Version zum Verwechseln ähnlich, andere schauen ganz anders aus. Die meisten haben Archive, aber es gibt viele verschiedene Lösungen.

Man soll ja nicht ins Anekdotische abgleiten, aber einige Anekdoten sind es wert, erzählt zu werden. Die von der Zeitungs-App, die aus dem Programm genommen wurde, weil sie nicht funktioniert hat und die man dennoch weiter verkaufte. Oder die, bei der man sich als Firmenkunde nicht einloggen konnte, weil Firmen keinen Vornamen haben. Oder diejenige, die nach einer akzeptierten Preiserhöhung plötzlich nicht mehr funktionierte …

Sie alle werden von Medienunternehmen gemacht, deren Verantwortliche darüber klagen, dass sich Journalismus im Netz nicht „monetarisieren“ lasse.

Ja, es ist nicht so einfach – auch, weil die Verkaufsleute der Printmedien Online-Produkte jahrelang nicht verkaufen konnten und sie daher verschenkt haben.

Der nächste Schritt aber sollte es sein, die digitalen Kinder genauso berechenbar und verlässlich zu machen, wie es die gedruckten Ahnen sind. Zügelt den Ehrgeiz, die Technik soweit auszureizen, dass sie nicht mehr funktioniert. Schafft Standards, werdet vertrauenswürdig.

Macht es einfach. Was Amazon, Zalando und die Porno-Branche können, werdet Ihr doch auch zusammenbringen.

Martin Novak war viele Jahre Journalist, darunter auch Gerichtsberichterstatter. Seit mehr als 20 Jahren ist er Kommunikations- und PR-Berater in Graz.

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