Neue Widmungskategorie „geförderter Wohnbau“ als rechtsstaatlich bedenkliches Instrument zur Sicherstellung leistbaren Wohnens

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Der Verfassungsgerichtshof hat in zwei vielbeachteten, von der Immobilienwirtschaft teils heftig kritisierten Erkenntnissen zu Mietzinsbildungsvorschriften im Mietrechtsgesetz und im Richtwertgesetz (VfGH G 673/2015 und VfGH V 25/2016 vom 12.10.2016; VfGH G 428/2016 sowie VfGH V 75/2016 vom 28.6.2017 ) den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zur Verfolgung wohnungs-, sozial- und stadtentwicklungspolitischer Interessen – und somit auch zur Gewährleistung leistbaren Wohnens – sehr weit gezogen.

Neue Widmungskategorie „geförderter Wohnbau“

Angesichts der seit Jahren bevölkerungsmäßig stark wachsenden Bundeshauptstadt und dem daraus folgenden Wohnraummangel inklusive explodierender Wohnraumkosten griff der Wiener Landesgesetzgeber diesen vom Verfassungsgerichtshof eingeräumten Gestaltungsspielraum dankbar auf und schuf mit der novellierten Wiener Bauordnung (Wr. LGBl Nr. 69/2018)  die Rechtsgrundlage für die neue Widmungskategorie „geförderter Wohnbau“. Diese neue Widmungskategorie (§ 6 Abs 6a Wiener Bauordnung) ersetzt den „förderbaren Wohnbau“ und findet u.a. Anwendung bei der Neuausweisung von Wohngebiet oder gemischtem Baugebiet.

Durch die Verknüpfung der Widmungskategorie „Gebiete für geförderten Wohnbau“ mit wohnbauförderungsrechtlichen Bestimmungen (WWFSG 1989) soll sichergestellt werden, dass der auf die Wohnungen entfallende Grundkostenanteil mit EUR 188,00 pro m² oberirdischer Bruttogrundfläche limitiert wird. Die Einhaltung dieser wohnbauförderungsrechtlichen Grundkostenrestriktion ist bereits beim Ansuchen um Baubewilligung nachzuweisen. Desweiteren wird dadurch die im WWFSG verankerte Nettohöchstmiete von derzeit monatlich EUR 4,97 (exklusive Finanzierungskosten sowie Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträgen) für eine Dauer von 40 Jahren festgesetzt. Ob diese politisch naturgemäß höchst umstrittene Maßnahme zu der von den in Wien regierenden Parteien erhofften Dämpfung der seit Jahren steigenden und vor allem junge Familien schwer belastenden Wohnkosten führen wird, bleibt abzuwarten.

Rechtsstaatliche Bedenken

Aus juristischer Sicht müssen jedenfalls rechtsstaatliche Bedenken gegen die gewählte Regelungstechnik angemeldet werden.

Während der Landesgesetzgeber in § 6 Abs 6a Wiener Bauordnung anordnet, dass die in Gebieten für geförderten Wohnbau errichteten Wohnungen überwiegend den hinsichtlich der Grundkosten geltenden Restriktionen des Wohnbauförderungsrechtes unterliegen müssen, hat der Wiener Gemeinderat zeitlich parallel mit der Novellierung der Bauordnung „Planungsgrundlagen“ zu der Widmungskategorie „Gebiete für geförderten Wohnbau“ am 28.11.2018 beschlossen. Darin ist – anscheinend in Konkretisierung des vom Gesetzgeber verwendeten Begriffes „überwiegend“ – davon die Rede, dass unter der Widmung „geförderter Wohnbau“ der Anteil geförderter Wohnnutzfläche im Regelfall zwei Drittel betragen soll.

Nachdem der Gesetzgeber durch Verwendung des Begriffes „überwiegend“, der eindeutig mehr als 50% bedeutet, ein klares Mindestausmaß vorgegeben hat, stellt sich die naheliegende Frage, ob dies durch die (vom Gemeinderat beschlossene) Zielvorgabe eines Zweidrittelanteiles konterkariert werden kann. Im Lichte des verfassungsrechtlichen Legalitätsprinzips, wonach die gesamte Vollziehung auf der Grundlage von Gesetzen zu erfolgen hat, erscheint nämlich höchst fraglich, ob für die (als Verordnungen zu qualifizierenden) widmungsrechtlichen Plandokumente ein höheres Mindestausmaß als gesetzlich vorgesehen vorgegeben werden kann.

Es ist insbesondere auch nicht klar, welche Normqualität den vom Wiener Gemeinderat am 28.11.2018 beschlossenen „Planungsgrundlagen“ im Stufenbau der Rechtsordnung überhaupt zukommt.

Rechtsunsicherheit durch Regelungsdefizite

Die beschriebenen, aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten höchst unerfreulichen Regelungsdefizite und die damit verbundene Rechtsunsicherheit wird den sozial- und wohnungspolitisch durchaus anerkennenswerten Zielen des Gesetzgebers keine guten Dienste leisten.

Es verwundert daher nicht, wenn Experten des Wiener Wohnungsmarktes „keine Preisentspannung in Wien“ erkennen können, sondern vielmehr prognostizieren, dass Wohnen in Wien auch künftig teurer werden wird (siehe dazu beispielsweise Salzburger Nachrichten vom 4.3.2019).

 

Martin Stadlmann & Isabell Vollnhofer

Dr. Martin Stadlmann ist Rechtsanwalt in Wien und Partner der Milchrahm Stadlmann Rechtsanwälte OG, Mag. Isabell Vollnhofer, BSc (WU) ist Rechtsanwaltsanwärterin bei der Milchrahm Stadlmann Rechtsanwälte OG