Reform der Einlagensicherung

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Schon wieder spricht niemand Klartext. Weder die Politiker, noch einige Bankmanager – und die Medien schon gar nicht. Im Prinzip wird von einer Staatshaftung auf eine sektor- und länderübergreifende „Versicherung“ umgestellt (im Endausbau), die die Banken selbst finanzieren müssen.

Das Bundeministerium für Finanzen hat am 24. März 2015 einen Gesetzesentwurf zur Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie zur Begutachtung ausgeschickt: das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (ESAEG). Die wesentliche Änderung für Österreich ist, dass von einem ex post Haftungssystem auf ein ex ante Einzahlungssytem umgestellt wird. Das wird übrigens in vielen EU-Ländern schon längere Zeit so gehandhabt.

Dies hat aus Sicht der Banken, der Steuerzahler und des Einlegerschutzes folgende wesentliche Vorteile:

  • Im alten System mussten alle Banken aufgrund ihrer Haftung (bis zu 50.000 Euro je Einleger, für die weiteren 50.000 Euro haftet derzeit der Bund) die Kosten auch für jenes Kreditinstitut tragen, das zahlungsunfähig geworden ist. Im neuen System haben alle Kreditinstitute (die nunmehr alleine für die gesamten 100.00 Euro je Einleger aufzukommen haben) bereits in den Fonds eingezahlt, also auch jenes, das zahlungsunfähig geworden ist.
  • Weiters vermeidet das neue System Wettbewerbsverzerrungen, weil es potenziell verhindert, dass einzelne Kreditinstitute überhöhte, betriebswirtschaftlich nicht leistbare Einlagenzinsen zahlen und dann im Sicherungsfall alle anderen Banken allein und, sollte das betragsmäßig nicht reichen, letztlich die Steuerzahler für den Schaden aufkommen müssen (siehe zum Beispiel den Fall der isländischen Kaupthing Bank, die noch kurz vor ihrem Fall auch in Österreich mit stark überhöhten Zinsen Einlagen via Internet eingesammelt hat).

Neben den Bareinzahlungen in den Einlagensicherungsfonds – diese können als eine Art Versicherungsprämie angesehen werden und werden sofort aufwandswirksam, auch wenn noch kein einziger Euro aus dem Fonds ausbezahlt worden ist – müssen weiters durch erstklassige Sicherheiten gedeckte Zahlungsverpflichtungen eingegangen und im Sicherungsfall gegebenenfalls liquide Mittel für Sonderbeiträge bereitgehalten werden.

Dies alles belastet die Banken erheblich. Zusätzlich zur leidigen Bankenabgabe und den auch in 2015 erstmals fälligen Einzahlungen in den Bankenabwicklungsfonds.

Beide Fonds sind – beginnend mit 2015 – bis 2024 auf die Zielausstattung aufzufüllen. Für den Einlagensicherungsfonds beträgt die Zielausstattung 0,8% und für den Bankenabwicklungsfonds 1% der gedeckten Einlagen (das ist die Summe aller erstattungsfähigen Einlagen, die mit 100.000 Euro je Einleger je Kreditinstitut begrenzt sind). Bereits 2015 sind eine Halbjahresrate (ca. 0,04 % der gedeckten Einlagen) für den Einlagensicherungsfonds und eine Jahresrate (0,1 % der gedeckten Einlagen) fällig.

Ein wesentlicher Fortschritt gegenüber dem derzeitigen System ist die Ermittlung der Beitragshöhe in beiden Fonds:  Sie wird nicht nur proportional gemäß der jeweiligen gedeckten Einlagen je Bank ermittelt, sondern – und das ist ganz wichtig – muss auch das Risikoprofil der Bank berücksichtigten (beim Bankenabwicklungsfonds sind auch volkswirtschaftliche Kriterien der Finanzstabilität zu berücksichtigen). Dieser Risikofaktor, der auch die Beitragshöhe bestimmt, verstärkt den Versicherungscharakter beider Fonds: Banken mit riskanteren Geschäftsmodellen oder höheren Einfluss auf die Finanzstabilität zahlen höhere Beiträge. Letztlich wird auch das zur bereits oben erwähnten Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen beitragen.

Die Beiträge in beide Fonds sind wechselseitig nicht anrechenbar (die Belastung ist also kumulativ) und die zu hinterlegenden Sicherheiten sind jeweils separat zu halten.

Die Regelungen zur Bankenabwicklung beinhalten auch noch zusätzliche Erfordernisse auf der Passivseite: die sogenannten Mindestbeträge an Eigenmitteln und berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten. Bei Letzteren soll eine Mindeststruktur und ein Mindestvolumen an Verbindlichkeiten (Einlagen und eigene Emissionen) vorgehalten werden, die im Abwicklungsfall als Gläubigerbeteiligung herangezogen werden können.

Neben der ertragsmäßigen Belastung wird damit auch der Handlungsspielraum der Banken auf beiden Seiten der Bilanz deutlich eingeschränkt.

Banken haben, so wie jedes andere Unternehmen auch, genau drei Stellschrauben, um diese Belastungen zu bewältigen:

  1. Den Gewinn reduzieren und die Dividende zu kürzen. Das trifft die Eigentümer bzw. Aktionäre. Dies ist insofern kontraproduktiv, als die neuen Regeln (Basel III) erhöhte Kapitalausstattungen vorschreiben. Welcher Eigentümer oder Investor ist bereit, bei niedrigeren Renditen das Investment zu halten bzw. sogar noch neues Kapital einzuschießen?
  2. Die Kunden müssen höhere Preise für die Produkte zahlen. Dies ist bei der momentanen Wettbewerbssituation beinahe unmöglich durchzusetzen bzw. sind im Bereich des Konsumentenschutzes sehr enge Grenzen gesetzt.
  3. Kosteneinsparungen: Davon sind in erster Linie die Mitarbeiter der Banken betroffen, was sich bereits jetzt in deutlich niedrigeren Lohnabschlüssen in den letzten drei Jahren im Vergleich zu anderen Branchen (ja, die Bankbranche zahlt noch immer überdurchschnittlich gut) und – natürlich – in einem Mitarbeiterabbau niederschlägt.

Im Endeffekt versuchen die österreichischen Banken durch Symbiose der Punkte 2. und 3. ihr Geschäftsmodell zu verändern, um einerseits durch verstärktes Mobile Banking ihre Produktpalette zu attraktivieren (höhere Erträge) und andererseits gleichzeitig durch den dadurch weniger notwendigen Personaleinsatz (Filialschließungen) die Kosten zu reduzieren.

Klar ist jedenfalls, dass durch die (neuen) gesetzlichen Maßnahmen der Einlegerschutz verstärkt wird und gleichzeitig potenzielle Belastungen der Steuerzahler hintangehalten werden sollen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Einlagensicherungseinrichtungen und die Abwicklungs- und Aufsichtsbehörden im Sinne dieser Vorschriften – ohne die in Österreich so beliebten Einflüsse von außen – handeln (können).

Alle, die heute wieder nach der Staatshaftung rufen, sollten aber gleichzeitig dazusagen: Wo ‚Staat‘ draufsteht, steht ‚Steuerzahler‘ drinnen. Weiters konterkariert so ein Ruf auch die Bemühungen, die Banken verantwortungsvoller zu machen, ohne einer impliziten Staatshaftung im Hintergrund.

Schlussanmerkung: Das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (ESAEG) ist die Umsetzung der Richtlinie 2014/49/EU (DGSD) und das Bankensanierungs- und Abwicklungssetz (BaSAG) ist die Umsetzung der Richtlinien 2001/24/EG und 2014/59/EU (BRRD) in nationales Recht. Während Österreich beim BaSAG bei der Umsetzung Vorreiter war, hinkt es beim ESAEG hinten nach.

Harald Vertneg, Die Weis[s]e Wirtschaft