Umverteilung im Pensionssystem

/

Bis zum Jahr 2060 wird die Lebenserwartung der Neugeborenen von 2015 bis 2060 bei Frauen um 6,4 und bei Männern um 8,2 Jahre steigen. In Österreich muss sich das staatliche Pensionssystem  –  ein zentraler Pfeiler unseres Wohlfahrtsstaates  – stark anpassen, damit die längere Lebenszeit zu einem Wohlstandsgewinn für alle werden kann.

Warum es in der Altersvorsorge eine Versicherungspflicht braucht

In einer Marktwirtschaft könnte man auch das Sparen für das Alter vollständig der Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger überlassen. Aber die Marktwirtschaft funktioniert nicht immer perfekt, und die Eigeninitiative der Individuen führt nicht zum bestmöglichen Ergebnis, wenn der Staat nicht die richtigen Leitplanken setzt. Das ist auch in der Altersvorsorge so. Müssten die Individuen selbst für das Alter Finanzkapital ansparen, um beim Übertritt in den Ruhestand eine lebenslange Rente zu kaufen, dann würde die Vorsorge ziemlich sicher weit unzureichend ausfallen.

Eine Versicherung, die alle über einen Kamm schert, ist für die Kurzlebigen zu teuer und für die Langlebigen zu billig. Gibt es keinen Versicherungszwang, dann würden Menschen, die von einer unterdurchschnittlichen Lebenserwartung ausgehen, tendenziell aus der Versicherung aussteigen und selber vorsorgen.

Aus diesen Gründen – unzureichende freiwillige Altersvorsorge und keine erschwingliche Versicherung gegen Langlebigkeit für Teile der Bevölkerung – ist es unbestritten, dass es einen Versicherungszwang braucht, wenigstens für eine Grundversorgung. Das ganze System der Altersvorsorge besteht somit aus einer verpflichtenden einheitlichen Grundversorgung (beugt Altersarmut vor), ergänzt um freiwillige, variable Zusatzkomponenten (für individuelle Bedürfnisse/Lebensweise).

Es braucht aber auch Umverteilung, und zwar nach vergleichbaren Kriterien in der jungen, aktiven genauso wie in der alten Bevölkerung. Das richtige Instrument für Umverteilung ist aber nicht das Pensionssystem, sondern der Steuer‐ und Transfermechanismus, welcher eine gewüschte Umverteilung transparent, kontrolliert und nach nachvollziehbaren Kriterien von oben nach unten ermöglicht.

Umverteilung innerhalb der Generationen

Das Problem ist nicht das Anliegen der Umverteilung an sich, sondern dass die Vermischung zu intransparenter und teilweise unkontrollierter und nicht beabsichtigter Umverteilung in die verschiedensten Richtungen führt, die teilweise schwer zu begründen sind.

Wenn das Pensionssystem tatsächlich eine Versicherung und damit frei von systematischer Umverteilung wäre, dann müssten die Beiträge in Summe den erwarteten Pensionen entsprechen. Über die gesamte Lebenszeit berechnet beträgt jedoch in der untersten Einkommensgruppe das Nettopensionsvermögen das 3,4‐fache des Beitragsvermögens. Mit anderen Worten, der Barwert der Pensionsauszahlungen übersteigt den Barwert der Beitragseinzahlungen um das 4,4‐fache!

Im Pensionssystem findet eine systematische Umverteilung von oben nach unten statt. Mit Ausnahme des obersten Einkommensdezils erhalten alle Gruppen einen Zuschuss – entweder von den derzeitigen Steuerzahlern oder aber von künftigen Generationen.

Umverteilung zwischen den Generationen

Um festzustellen, wieviel der Defizite im Pensionssystem bei zukünftigen Generationen landet, müsste in Österreich regelmäßig eine Generationenbuchhaltung wie in Keuschnigg et al. (2000) (auch verfügbar in IHS Serie Ökonomie) durchgeführt werden. Nachdem es keine aktuellen Studien dazu gibt und offensichtlich auch keine geplant sind, können weder die Politiker noch die Bürger abschätzen, wie nachhaltig die Finanzpolitik tatsächlich ist und wie stark das Land auf Kosten der nachfolgenden Generationen lebt. Berechnungen für andere Länder zeigen, dass die Vorbelastung künftiger Generationen durch das Pensionssystem die offiziell ausgewiesene Staatsschuld oft deutlich übersteigt.

Resümee

Eine klare Trennung von Versicherung und Umverteilung ist notwendig, damit die Bürgerinnen und Bürger unterscheiden können, wann sie einen selbsterworbenen Anspruch einlösen und wann sie Steuern zahlen oder von der Gemeinschaft eine Unterstützung erhalten. Die Verwirklichung eines strikten Versicherungsprinzips ermöglicht es, zwischen Geschäft und Umverteilung klar zu unterscheiden und damit das Verhältnis der Bürger und Bürgerinnen zum Staat auf eine korrekte und transparente Basis zu stellen.

Anm.: Dieser Beitrag basiert auf der Studie Ein nachhaltiges Pensionssystem für alle Generationen.

 

Christian Keuschnigg

Univ-Prof. Dr. Christian Keuschnigg ist Professor für Nationalökonomie, insbesondere öffentliche Finanzen, an der Universität St. Gallen und Direktor des WPZ – Wirtschaftspolitisches Zentrum – Wien.

Nächste Veranstaltung

Ich möchte zur Veranstaltungsreihe der Weis[s]e Salon eingeladen werden